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Indiens Staatsfeind, Pakistans Spielball

Für die Behörden beider Staaten ist Maulana Masud Azhar von der Gruppe Jaisch e-Mohammed ein alter Bekannter

Die Meldungen klingen wenig eindeutig und dürften Indien kaum vom pakistanischen Vorgehen überzeugen. Pakistans Regierungsprecher, Generalmajor Raschid Quereschi, verkündete am Dienstag, der Gründer der kaschmirischen Separatistengruppe Jaisch e-Mohammed („Armee Mohammeds“), Maulana Masud Azhar, sei verhaftet worden. Über Gründe könne er jedoch zunächst keine Angaben machen, so Quereschi.

Zuvor hatte ein Sprecher von Azhars Organisation, die von Indien mit für den Überfall auf das Parlament in Delhi mit 14 Toten verantwortlich gemacht wird, gesagt, die pakistanische Polizei habe Azhars Haus in Bahawalpur im Pandschab lediglich umstellt. Azhar habe Besucher empfangen können und hätte keinen Haftbefehl erhalten. Später sagten Angehörige Azhars gar, er befinde sich nicht mehr im Polizeigewahrsam. Sie wüssten nicht, wo er sich derzeit aufhalte.

Der 33-jährige Islamistenführer Azhar ist für die Behörden Pakistans und Indiens ein alter Bekannter. In Pakistan stand er zuletzt im Oktober für zwei Tage unter Hausarrest. Die von ihm vor zwei Jahren gegründete Organisation Jaisch e-Mohammed kämpft mit Selbstmordanschlägen für den Anschluss des indischen Teils von Kaschmir an Pakistan und wurde von den USA nach dem 11. September auf die Liste terroristischer Gruppen gesetzt. Danach fror Pakistans Regierung vorübergehend das Vermögen der Gruppe ein. Nach dem Anschlag vom 1. Oktober auf das Provinzparlament in Srinagar, der Sommerhauptstadt des indischen Kaschmirs, übernahm Jaisch e-Mohammed dafür zunächst die Verantwortung. 38 Personen waren getötet worden. Später bestritt die Organisation aber ihre Täterschaft, nachdem sie von Pakistans Regierung zum Dementi gedrängt worden war.

Jaisch e-Mohammed werden gute Kontakte sowohl zu den afghanischen Taliban wie zum pakistanischen Militärgeheimdienst ISI nachgesagt. Jetzt bedurfte es wieder erst des Drucks der USA, um Pakistan wenigstens zu seinem halbherzigen Vorgehen zu bewegen.

Indien fordert seit dem Anschlag auf das Parlament in Delhi vom 13. Dezember von Pakistan entschlossenes Vorgehen gegen Jaisch e-Mohammed und die Gruppe Laschkar e-Taiba („Armee der Reinen“). Andernfalls droht Indien, selbst gegen Basen der beiden Organisationen in Pakistan militärisch vorzugehen. Beide Gruppen werden für rund 70 Prozent der im indischen Teil Kaschmirs verübten Anschläge verantwortlich gemacht.

Dabei hatte Indien Azhar schon einmal gefasst, als er im Februar 1994 von Pakistan kommend ins Kaschmir-Tal eindrang. Damals war Azhar der führende Ideologe der Harakat-ul-Ansar („Bewegung der Helfer des Propheten“), die sich nach ihrer Einstufung als terroristisch durch die USA in Harakat-ul-Mudschaheddin („Bewegung der Glaubenskrieger“) umbenannte. Azhar gab die Harakat-Zeitschrift Stimme der Freiheitskämpfer heraus.

Damals prophezeite er seine baldige Befreiung. Im Dezember 1999 war es dann soweit. Gesinnungsgenossen entführten ein indisches Verkehrsflugzeug mit 155 Passagieren an Bord in die afghanische Talibanhochburg Kandahar und pressten ihn frei. Seitdem lebte Azhar unbehelligt in Pakistan, von wo aus er den Kampf gegen Indien mit seiner neuen Organisation fortsetzte.

SVEN HANSEN

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