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Havarien bald nur noch heimlich verhandelt

Die fünf deutschen Seeämter werden zusammengelegt. Verkehrsministerium verspricht sich davon bessere Prävention

SASSNITZ/RÜGEN taz ■ Schiffsunglücke wie das des Frachters „Pallas“ vor der nordfriesischen Küste, die sich häufenden Havarien vor Hiddensee oder der mysteriöse Untergang des Sassnitzer Fischkutters „Beluga“ mit drei toten Fischern werden künftig wahrscheinlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt. So plant es das Bundesverkehrsministerium mit einer Reform der fünf Seeämter in den Bundesländern an den deutschen Küsten.

Es verspricht sich davon mehr Sicherheit der Schifffahrt auf Nord- und Ostsee. Die Bundesregierung beschloss im März, die Untersuchungen von Unfällen auf hoher See einem neuen Gremium zu übertragen. Ein entsprechender Gesetzentwurf ist derzeit auf dem parlamentarischen Weg. Im November gab es in Berlin eine Anhörung des Verkehrsausschusses mit Fachleuten aller Seeämter.

Diese Behörden arbeiten seit 120 Jahren nach dem gleichen Verfahren. Ein Jurist als Vorsitzender und vier Beisitzer fällen nach der Beweisaufnahme einen Spruch. Die Beisitzer sind in der Regel Nautiker, also ausgebildete Schiffslenker, und haben gleiches Stimmrecht, vergleichbar einem Schöffengericht.

Verkehrsminister Kurt Bodewig (SPD) favorisiert nun eine Reform, wie sie der Bundestag 1998 für Unglücke im zivilen Luftverkehr beschloss. Diese Verfahren sind – nicht zuletzt auf Drängen der Luftfahrtunternehmen, die keinen Wert darauf legen, dass Produktions- und Betriebsprobleme nach außen dringen – nicht öffentlich. Die Veränderungen sollen jedoch sofortige Untersuchungen an der Unglücksstelle zusammen mit Experten anderer Staaten ermöglichen.

Diese internationale Kooperation sei in der Seeschifffahrt bislang nicht möglich: „Ein mit dem Concorde-Absturz vergleichbarer Unfall auf See könnte derzeit von keinem deutschen Seeamt untersucht werden“, erklärt das Verkehrsministerium. Das von der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) nach internationalem Standard geschaffene Verfahren für Unfallanalysen werde so vollständig in deutsches Recht übernommen, heißt es weiter.

Zu diesem Zweck soll das jetzige Bundesoberseeamt in Hamburg in eine neue Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung umgewandelt werden. Einzig dort sollen künftig Seeunfälle in nur noch einer Instanz verhandelt werden. Eine Berufungsmöglichkeit soll es nicht mehr geben. Den Seeämtern soll lediglich die Entziehung von Kapitänspatenten als Kompetenz verbleiben.

Fachkenntnisse Sachverständiger an der Küste will sich der Verkehrsminister jedoch weiter zu Nutze machen. Trotzdem sind die Gremien der Seeämter mit der Reform nicht einverstanden. „In den Gremien wären künftig keine Juristen mehr vertreten. Stattdessen klären Ingenieure aus Schiff-, Maschinenbau und Nautik, Seeunfälle in einer dann reinen Fachbehörde“, so Jochen Hinz, Personalratsvorsitzender der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord. Hinz, der gleichzeitig Vorsitzender des Bundesoberseeamtes in Hamburg ist, weist darauf hin, dass zukünftig ein Untersuchungsführer und Hilfskräfte ohne eigene Entscheidungsbefugnis Seeunfälle untersuchen sollen. Problematisch für den Juristen ist auch die künftige Fachaufsicht der neuen Bundesstelle. „Dafür wäre das Bundesjustizmisisterium besser geeignet, um eine Einflussnahme durch die eigene oberste Dienstbehörde zu vermeiden“, schildert Hinz die Meinung der Personalräte der Wasser- und Schifffahrtsämter.

In der ersten Hälfte des kommenden Jahres erwartet Hinz das neue Gesetz. Der Verkehrministerumssprecher wagt dazu keine Prognose: „Für die abschließende Beratung im Bundestag ist alles offen. Wir müssen abwarten.“ DIETER BAUER

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