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Schwachhausen und die SWAPO

■ Bremer Wohlstand und Namibia haben mehr miteinander zu tun, als mancher ahnt: Die Geschichte einer gewalttätigen Beziehung, die heute noch im Kampf um Platz- und Straßennamen nachscharmützelt Von Thomas Gebel

1886 landet ein Segelschiff in einer Bucht im südwestlichen Afrika. Der Ort war kaum besiedelt und wurde von irgendwelchen portugiesischen Seefahrern mal Angra Pequena genannt. Wenig später bekommt die Siedlung, die dort fortan existiert, den Namen Lüderitz. So heißt sie auch heute noch. Am 18. Dezember 2001 benennt ein Mann im namibischen Küstenbadeort Swakopmund die dortige Kaiser-Wilhelm-Straße in Doktor-Sam-Nujoma-Avenue um - nach sich selbst.

Dieser Mann hatte 1996 den Titel des bremischen Ehrensenators erhalten. Er war nämlich schon öfter in Bremen. Um den Zusammenhang all dieser Ereignisse wissen nicht viele Hansestädter. Als Bremen 1871 seine Unabhängigkeit aufgab, wurde es Teil des Deutschen Reiches. Das aufgeblasene Preußen schickte sich unter Kanzler Bismarck und Kaiser Wilhelm II. soeben an, zu einer der großen kolonialen Mächte aufzurücken. Im Soge dieser Tendenz machte sich ein Bremer Kaufmann auf den Weg ins südwestliche Afrika: Adolf Lüderitz. Nach ihm heißt nicht nur eine südnamibische Stadt, sondern auch eine Straße in Schwachhausen.

Lüderitz verkaufte dem afrikanischen Kapitän Josef Frederiks geographische Meilen für englische und haute die heutigen Namibier so das erste Mal übers Ohr. Später war das nicht mehr so einfach. Zwischen 1904 und 1907 halfen nur noch Massaker an den aufständischen „Eingeborenen“. Das Ergebnis: Das Land zwischen Angola und dem Burenstaat wurde wilhelminische Kolonie. Es hieß fürderhin Deutsch-Südwestafrika, kurz: Südwest.

Die Schwachhauser Sozialdemokraten versuchten in den vergangenen 30 Jahren mehrfach, die Bremer Lüderitzstraße umzubenennen. Sie hatten es dabei allerdings erheblich schwerer als Sam Nujoma. Sam Nujoma ist nämlich Vorsitzender der South West African Peoples Organisation (SWAPO) und seit der Unabhängigkeit von der damals noch rassistischen südafrikanischen Mandatsmacht 1989 Präsident der Republik Namibia. Nach dem Ende des erfolgreichen antikolonialen Befreiungskampf regiert die SWAPO dort allein. Sam Nujoma braucht sich nicht einmal um den in Bremen verbreiteten Grundsatz zu scheren, Straßen nur nach Personen zu benennen, die schon seit mindestens 20 Jahren tot sind. Die Schwachhauser SPD hingegen musste sich mit der Tatsache abfinden, dass die CDU im Beirat die Mehrheit hat – und findet, dass man die Geschichte nicht ungeschehen machen kann, indem man die Namen verändert.

1998 machte die SPD einen erneuten Vorstoß: In Richtung des Elefanten an der Gustav-Deetjen-Allee. Er erinnert an Afrika. Seit 1990 heißt das ehemalige Kolonialdenkmal offiziell „Antikolonialdenkmal“. Damals mit dabei: Sam Nujoma. „Unser neuer Vorschlag war, den Platz vor dem Antikolonialdenkmal Hendrik-Witbooi-Platz zu nennen“, erklärt Barbara Matuschewski. Sie war bis 1999 SPD-Fraktionsvorsitzende im Beirat Schwachhausen. Heute arbeitet sie im internationalen Ausschuss des SPD-Landesvorstandes. „Wir wollten das Umbenennungsproblem umgehen.“

Hendrik Witbooi war ein südwestafrikanischer antideutscher Befreiungskämpfer (siehe Kasten). Doch der Vorschlag wurde wiederum abgeblockt. Hendrik Witbooi war der CDU suspekt. „Wir wissen zu wenig über den. Vielleicht hat er ja auch irgendwelche Untaten begangen“, argumentierte der damalige CDU-Beiratssprecher Bernd Huse, der heute parteilos ist. Außerdem, so die CDU weiter, wisse man ja nicht, ob der Platz nicht noch einmal umgestaltet wird. Lieber nicht Hendrik Witbooi.

Das besondere Interesse der Bremer SPD an Namibia geht auf die siebziger Jahre zurück. Henning Scherf hielt es nicht nur mit den Sandinisten und fuhr mit der Solidaritätsbrigade zur revolutionären Kaffee-Ernte nach Nicaragua. Früh knüpften er und die Bremer Sozis auch internationalistische Kontakte zu einem jungen namibischen Rechtsanwalt namens Sam Nujoma. Der war gerade damit beschäftigt, eine Befreiungsbewegung gegen die Südafrikaner aufzubauen: die SWAPO.

Richtig glücklich dürften Scherf und Co. aber im Augenblick nicht über den zum namibischen Präsidenten aufgestiegenen Freischärler sein. Zwar gibt es überall in Namibia Hendrik-Witbooi-Straßen. Und dass die Hans-Dietrich-Genscher-Allee der Hauptstadt Windhoek in den Slums von Katutura endet, ist eher ein Treppenwitz der neoliberalen Geschichte. Doch offenbart Ehrensenator Nujoma inzwischen eine gewisse Tendenz zum Personenkult. Schon zu seinen Lebzeiten sorgt er dafür, dass in jedem Ort die jeweils längste Straße nach ihm selbst benannt wird – mit Doktortitel und dann als Avenue natürlich. Die Ausnahme, dass er mit der Swakopmunder Kaiser-Wilhelm-Straße nicht die falsche trifft, bestätigt nur die Regel der Selbstherrlichkeit.

Schlimmer aber ist seine nachrevolutionäre Politik. Nujomas Lösung für das AIDS-Problem sind primär Abstinenz und Treue. Vor allem aber hetzen die SWAPO und Nujoma immer unverhohlener gegen Schwule und Lesben. Noch im Sommer wies die Wochenzeitung der SWAPO darauf hin, dass Tiere ja auch keine Homosexualität praktizierten. Wie so viele Befreiungsbewegungen an der Macht kommt auch die SWAPO langsam auf den Hund.

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