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Einmal Metaller, immer Metaller

Mit seinem Film „Rock Star“ zeichnet der Regisseur Stephen Herek die Hardrock-Branche der Achtzigerjahre nach

Ja, genau, die Achtzigerjahre, es hilft alles nichts. Immer wieder die Achtziger. Die wollen wohl auch 2002 nicht verschwinden und bis auf die Minute genau, Style für Style, rekonstruiert werden. Das neueste Signing auf dem Markt der Moden von einst: Stephen Hereks Film „Rock Star“, laut Verleih und angeschlossener Plattenfirma ein „Muss für jeden richtigen Heavy-Metal-80s-Rock ’n’ Roller“. Mindestens. Tatsächlich wurde bislang weiträumig vernachlässigt, dass es auch in den Achtzigern schon popmusikalische Spielarten wie Hardrock und Metal gab; dass mehr Menschen, als man gemeinhin glaubt, dieses Jahrzehnt mit Bon Jovis „Living On A Prayer“, Europes „Final Countdown“ oder Def Leppards „Love Bites“ assoziieren.

Allerdings sind es gerade diese Musikgenres, in denen sich Gegenwart und Vergangenheit bestens verschränken – so wenig hat sich hier in Outfits, Styles und Tunes getan, so wenig kennt man hier das Spiel mit den Zitaten, so wenig passt ein Wort wie „Recycling“. Konservatismus regiert, der Schuster bleibt bei seinen Leisten: einmal Metaller, immer Metaller.

Insofern ist „Rockstar“ nur in Ansätzen eine Art historisches Sittengemälde. Der Film spielt in den mittleren Achtzigern, nimmt seinen Ausgang in der „Flashdance“-City Pittsburgh und hat zwischen all dem Hardrock- und Metal-Gedresche auch ein Plätzchen für Frankie Goes To Hollywoods „Relax“. Vor allem jedoch erzählt „Rockstar“ eine Geschichte, die so alt ist wie der Rock ’n’ Roll selbst: Junger, unbedarfter Musiker wird vom Fan zum Star der Band, die er anbetet und der er nacheifert.

Basierend auf der realen Geschichte von Tim „Ripper“ Owens, der 1996 bei der Heavy-Metal-Band Judas Priest deren Leadsänger Rob Halford ersetzte, ist es in „Rockstar“ der von Mark Wahlberg charmant verkörperte Chris Cole, der eines Morgens einen Anruf aus L. A. bekommt und zum Vorsingen bei seinen Idolen von der Metal-Band Steel Dragon eingeladen wird. Cole lebt in Pittsburgh bei seinen Eltern, repariert Kopiergeräte und singt in einer Steel-Dragon-Tributband mit dem schönen Namen Blood Pollution – allerdings erfolglos: Seine Bandkollegen haben ihn gegen einen anderen Sänger ausgetauscht. Anders als Cole wollen sie mehr als nur Songs von Steel Dragon nachspielen.

Genau bei denen aber singt Cole nun vor, wird genommen und tritt fortan seine sentimentale Erziehung an – es reicht Herek nicht, mit „Rockstar“ nur ein schönes Rock-’n’-Roll-Märchen zu erzählen oder eben detailliert eine Facette der Achtzigerjahre auszuleuchten. Nein, ein bisschen Künstlerbiografie muss schon sein: Aufstieg, Reifeprozess und Moral. Schnell merkt man, dass die goldenen Schallplatten, die Zuneigung der Fans, die großen, weißen Limousinen, die Partys, die Groupies nur die eine Seite des Traums sind; die andere sind Hahnenkämpfe unter Männern, desillusionierte Musikerfrauen, zynische Manager und dergleichen mehr.

Natürlich verliert Cole die Bodenhaftung, natürlich durchschaut seine anfangs mit ihm tourende Jugendfreundin (Jennifer Aniston) das Spiel schneller als er und verlässt ihn; natürlich ist der Frust groß, als Cole merkt, dass er bei Steel Dragon auch nur ein Leadsänger ohne kreativen Output ist – die Songs, die er für ein neues Album geschrieben hat, wollen die anderen nicht. Jede Band braucht ihre Hierarchie. Im Vergleich mit dem Seventies-Rockfilm „Almost famous“ wirkt „Rockstar“ zwar eindimensional und durchschaubar, überrascht aber zuweilen auch mit Szenen, die schön die eigene Ehrpusseligkeit und seine Rock-’n’-Roll-Geschäft-ist-böse-Philosophie unterlaufen. Rührend die Eltern und Geschwister von Cole bei einer Steel-Dragon-after-Show-Party: In den Staaten ist Rock Musik für die ganze Familie, ein American rock thing we never understand. Witzig, wenn sich Coles Vorgänger als kurz geschorener Gay entpuppt, und durchweg ein Spaß, als Cole auf einem Konzert merkt, was Sache ist, und endgültig zu sich selbst findet. Da singt ein Cole-Lookalike aus der ersten Reihe so perfekt Zeile für Zeile mit, dass Cole ihm das Mikro überlässt und und sich von dannen macht: Ich ist ein Songwriter! Ich ist die Verlängerung einer Akustikgitarre in einem kleinen Club. Willkommen in den Neunzigern!

Historisch gesehen beginnt die Geschichte hier tatsächlich von vorn – die Achtziger waren die Show und der falsche Hardrock; die Neunziger renovierten Authentizität. Nur gab es da auch wieder Haken: MTV war plötzlich mit im Rennen, und Coles neue Kumpels wie Cobain, Weiland oder Cantrell mussten alle irgendwie dran glauben. Wenn Cole das man bloß überstanden hat! GERRIT BARTELS

„Rockstar“: Regie: Stephen Herek. Mit Mark Wahlberg, Jennifer Aniston, Timothy Spall u. a., USA 2001, 106 Min.

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