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Big Brother des Segelsports

■ 46 Seemeilen vor dem Etappenziel in Auckland liegt die illbruck auf Platz 3 und bietet ein multimediales Spektakel

Seit knapp dreieinhalb Monaten befinden sich die rivalisierenden Hochseeboote des Volvo Ocean Race auf den Weltmeeren. Stunden vor dem dritten Landgang in Auckland sind die Platzierungskämpfe zwischen Platz drei und fünf die spannendsten des bisherigen Rennens. 46 Seemeilen vor dem Zieleinlauf in Neuseeland liegt die deutsche Yacht illbruck mit nur einer Seemeile Vorsprung auf Platz Drei des Klassements. „Ein verkehrter Handgriff und wir landen noch auf Platz Fünf“, erklärt der Metereologe an Bord, Chris Bedford. Die Firmen-Boote News Corporation und Tyco segeln der Leverkusener Werksyacht mit dem Hamburger Toni Kolb an Bord im Nacken. Uneinholbar in Front liegen die bereits in das Ziel eingelaufene Assa Abloy vor der Amer Sports One.

Allen Landratten, die an dem Spektakel der Weltumseglung teilhaben wollen bietet sich die Möglichkeit, per Internet, Live-GPS, Web-Cam und E-Mail direkten Kontakt zu dem Geschehen aufzunehmen. Ein Vergnügen, um fußballose Zeiten und in der Gegend rumhüpfende Essgestörte vergessen zu lassen. Die Wettfahrt über 32.700 Seemeilen um die Welt ist eine packende Multimedia-Show nicht nur für Segelfans, sondern auch für Realitity-Süchtige. Live und direkt vom Pazifik dem Atlantik oder der Nordsee melden sich die Crews per Kamera und Mail bei Fans und Familie. „Einen besonderen Gruß an meinen Bruder Mike und seine hochschwangere Frau Kerry, die heute ins Krankenhaus kommt. Viel Glück“, schreibt Ray Davis von der illbruck. Empfänger ist die Öffentlichkeit. Unentschlossen klickt man weiter und weiß nicht genau, wem man mehr die Daumen halten soll – der Yacht oder der schwangeren Unbekannten.

Unterdessen beschwert sich Jez Fanstone über mangelnde frische Brisen unter Deck der News Corporation: „Es stinkt, als ob zwölf nasse Labradore hier wohnen.“ Ungewöhnliche Schnüffelgeräusche sind wahrnehmbar, bis schwindender Realitätsverlust einsetzt und die bescheuerte Handlung unterbindet.

Angefixt von den menschelnden Berichten der einzelnen Crewmitglieder wird sofort das Premium-Packet des Virtual Spectator runtergeladen um den Kommentaren der Armchair Admirals Gary Jobson, Bob Fisher und Peter Montgomery zu lauschen und die animierte Wetterkarte zu studieren, die genauestens zeigt zu welcher Zeit einzelnen Yachten in welchen Sturm kommen. „Jetzt war der Wirbelsturm nur noch 400 Meter von uns entfernt und hatten diese riesige spiralförmige Wolke über uns“, berichtete John Kos-tecki von der illbruck am 28. Dezember und viele bekamen zeitverzögert die Angst vor einem Unglück frei Haus geliefert. Spannender als Big Brother und als Skispringen sowieso. Oke Göttlich

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