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60 und kein bisschen K-Frage

■ Blitzlichtgewitter und peinliche Fragen an seine Ehrengäste hatte er sich nicht gewünscht. So wurde die Geburtstagsparty von CDU-Landeschef Bernd Neumann (CDU) zum großen Politstelldichein ohne Pepp

Von der K-Frage wollte sie nichts hören. Nicht an diesem Abend, an Bernd Neumanns 60. Geburtstag. Nein, Angela Merkel war in „Partystimmung“, sagte sie. Also lächelte die CDU-Chefin zwei Minuten steif ins Blitzlichtgewitter und verschwand gleich darauf in den kamerafreien Saal. In Sicherheit.

Auch Kohl hatte keine Lust, auf so „langweilige“ Fragen nach Merkels und Stoibers Zukunft zu antworten, muffelte er. Dann stürmte auch der CDU-Koloss mitsamt seinem Sicherheitstross hinterher in den Saal. Zum gleichen Tisch, direkt neben dem Geburtstagskind, dem Landeschef der Bremer CDU, und Bremens SPD-Bürgermeister Henning Scherf an der anderen Seite.

Dass die Kanzlerfrage Sonntagabend im Protokoll nicht auftauchen sollte, dafür hatte die CDU akribisch gesorgt. Wegen dem besonderen „Charakter der Feier“ seien Interviews mit „keinem der Gäs-.te möglich“. Das Wörtchen „kein“ fettgedruckt und nochmal unterstrichen, damit es auch die Letzten kapierten. Und während die ersten Kollegen ihre Blöcke ohne irgendeine zufriedenstellende Antwort wieder einpackten, ging drinnen im großen Saal von Grothenn's Gasthaus die Party erst richtig los.

Geldspenden für eine Privatschule hatte sich der CDU-Fürst gewünscht. Auf den Tischen stapelten sich inzwischen auch noch andere Präsente. Ein Akkordeon. Ein Werder-Trikot mit Neumanns Namen draufgedruckt. Blumen. Und eine knallrote Skimütze.

Gut 280 Gäste hatte sich Neumann ins Haus geholt. Haufenweise Politikfreunde aus seinen rund 40 Jahren CDU-Zugehörigkeit, 35-Jahren Bremer Landesvorstand und 15 Jahren Deutscher Bundestag. Die Resultate dieser Bekanntschaften und Freunde wurde um 28 Tische gruppiert. Und so durfte am Ende Berlins Ex-Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) gleich neben SPD-Bildungssenator Willi Lemke Platz nehmen. Aber auch Jörg Wontorra war da und Hildegard Krekel. Vor allem aber eben Angela Merkel und Helmut Kohl.

Allein schon deswegen wurde nur unter größtmöglichem Ausschluss der Öffentlichkeit gefeiert. So hatte es Neumann gewollt. Und deswegen den Rest der Journaille in einem Extra-Zimmer einquartiert. Fernab der großen Politik. Nur zu den Reden, etwa eine Stunde später, durften die Pressevertreter rein in den großen Saal. Als CDU-Finanzsenator Harmut Perschau und Henning Scherf, Angela Merkel und Helmut Kohl vorn am Mikro ihre Glückwünsche für den ehemaligen Lehrer und längsten Bremer CDU-Chef der Geschichte offiziell loswerden konnten.

Die Chance für Bremer Politiker, die immer wieder gerne an die große Erfolgskoalition in Bremen erinnerten. „Guck mich nicht so groß an“, sagte Scherf einmal Richtung Jürgen Rüttgers, dem CDU-Landesschef in Nordrhein-Westfalen: „Das ist kein Gerücht. Wir vertragen uns hier wirklich gut.“ Fast klang es, als könnte es ewig so weitergehen mit den Schwarzen und den Roten. Den Freunden Scherf und Neumann und den Duzfreunden Hans Koschnick und Neumann.

Der Rest der Ehrenpredigten würdigte vor allem die großen CDU-Männer Bernd Neumann und Helmut Kohl. Den „leidenschaftlicher Telefonierer“ und gestrengen Perfektionisten Neumann, wie zu erfahren war. Und den „Erzvater des Euros“, ein Mann mit „Wellenbrecherfunktion“ (Perschau). Helmut Kohl eben. Der die ganze Zeit stoisch am Tisch saß und meistens keine Miene verzog.

Für Merkel blieb da nicht mehr ganz so viel des Lobes übrig. Als „Mädchen aus dem Osten“ stellte Perschau sie vor. Wie ein Mädchen aus dem Osten redete sie dann auch: „Lieber Bernd Neumann, liebe Frau Neumann, liebe Kinder...“ (Auch wenn keine kleinen Kinder im Saal waren.) Kein Wort aber fiel zu ihrer Kanzlerkandidatur. Immerhin bestätigten Neumann und Kohl sie in ihrer Funktion als CDU-Vorsitzende. Als eine, die die „norddeutschen Probleme kennt und eine Existenzberechtigung für die kleinen Länder sieht“. Das sei schon toll, sagte Neumann. Und das war fast schon alles.

Das Thema des Abends war nämlich ein anderes: „Helmut Kohl und der kleine Bremer Landesverband – und wie das zusammenpasst“, fragte Perschau rhetorisch. Dass doch der „größte Staatsmann Europas hierhin kommt und für mich die Rede hält“, wie es Neumann ausdrückte. Sichtlich bewegt.

Und dann kam unweigerlich die Rede auf jenen Neujahrsempfang der Bremer CDU vor zwei Jahren. Als Neumann Ex-Kanzler Kohl eingeladen hatte – und trotz Spendenaffäre eisern an der Einladung festhielt. Dafür erntete er gestern ein „ganz persönliches Danke-schön“ von Kohl. Für „seine Treue und noble Menschlichkeit“.

Und dann sagte Kohl noch etwas, das alle Bremer CDU-Herzen höher schlagen ließ. Das ihm als Redner den längsten Applaus und sogar noch ein klein bisschen standing ovations bescherte: „Wer darüber nachdenkt, dass Bremen in Niedersachsen aufgehen könnte, der weiß, dass Deutschland ein Stück Kultur verlieren könnte.“

Und dann war auch schon Ende des öffentlichen Teils. Das eine „Geburtstagsfeier und keine Kanzlerfrage“ sein sollte und war.

Dorothee Krumpipe

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