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Bananenschalen auf Brüsseler Parkett

In der EU hat sich Künast die Hörner abgestoßen – aber auch eine starke Allianz mit Musterschüler Frankreich gebildet

BRÜSSEL taz ■ Renate Künast war gerade zwei Wochen im Amt, da musste sie schon aufs Brüsseler Parkett. Auf ihrer ersten Sitzung mit den EU-Agrarministerkollegen Ende Januar 2001 wusste sie in Deutschland zwar 80 Millionen Verbraucher hinter sich, war aber in Brüssel fast unbekannt. Ihr forsches Auftreten kam bei den erfahreneren Ministerkollegen im Rat weniger gut an als bei der Klientel daheim.

So legte sich Künast zunächst ausgerechnet mit EU-Agrarkommissar Franz Fischler an, der grünen Ideen zur Agrarwende nicht abgeneigt ist. Der schwergewichtige Österreicher machte die Neue mit einigen Fakten vertraut, die ihr Bild gerade rücken sollten: Deutschland hinkt beim ökologischen Umbau seiner Landwirtschaft hinterher. Der Musterschüler sitzt westlich des Rheins, an Frankreich könne man sich ein Beispiel nehmen. Künast lernte schnell.

Vergangenen Sommer traf sie sich mehrmals mit ihrem französischen Kollegen Jean Glavany. In einem gemeinsamen Artikel in Le Monde veröffentlichten beide ihre Ideen zur Agrarreform. Das Thema ist aktuell, weil die EU-Kommission Mitte 2002 eine Halbzeitbilanz der Reformen veröffentlichen will, die 1999 unter deutscher Präsidentschaft beschlossen wurden. Wenn sie sich mit dem mächtigen Agrarland Frankreich zusammentun kann, das ist Künast inzwischen klar, steigen die Chancen für eine Wende in der EU-Agrarpolitik. Denn bisher stießen ihre Forderungen in Brüssel auf taube Ohren.

Vergeblich wehrte sie sich gegen das EU-weite Rinderankauf- und -vernichtungsprogramm. Das Verfütterungsverbot für Tiermehl wurde gegen ihren Willen aufgehoben. „Künast hat am Anfang große Forderungen gestellt, aber dabei keine konkreten Lösungen vorgeschlagen“, sagt Thomas Gehrke, politischer Berater beim Europäischen Bauernverband Copa.

„Den europäischen Subventionswust kann niemand in ein paar Wochen auflösen“, hält Martin Rocholl dagegen. Der Direktor des Europabüros von „Friends of the Earth“ mag sich eine europäische Agrarpolitik ohne Renate Künast gar nicht mehr vorstellen: „Ohne sie hätten wir keine Chance, die notwendigen Schritte für eine ökologisch angepasste Landwirtschaft umzusetzen.“ Doch scheint der Ministerin selbst die Leidenschaft der ersten Tage abhanden gekommen zu sein. Bei der letzten Sitzung im Dezember ließ sie sich in Brüssel durch ihren Staatssekretär Martin Wille vertreten. DANIELA WEINGÄRTNER

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