Heimatliche Gefühle in der Kaserne

Die Sozialistin Michelle Bachelet steht als neue Verteidigungsministerin an der Spitze der chilenischen Streitkräfte

Sie ist die erste Frau in Lateinamerika und in Chile die erste Sozialistin seit dem Militärputsch von vor 30 Jahren, die zur Verteidigungsministerin ernannt wurde. Michelle Bachelet bekommt beim Betreten einer Kaserne keine klammen Gefühle. „Wenn ich die Uniformen sehe, die Hymne der Luftwaffe höre, dann fühle ich mich ein wenig wie zu Hause“, sagt die 50-Jährige.

Das hat wohl etwas mit der Familientradition zu tun, denn ihr Bruder war in der Armee. Und ihr Vater Alberto Bachelet war ein treuer General des sozialistischen Präsidenten Salvador Allende, der im Jahr 1973 von General Augusto Pinochet aus dem Amt geputscht wurde. Bachelets Vater bezahlte seine Überzeugung als „Vaterlandsverräter“ mit dem Leben. Im Jahr 1974 starb er 51-jährig in einem Gefängnis von Santiago „als Folge der erlittenen Folterungen und schlechten Behandlungen während der Haftzeit“, wie es in einem 1991 erschienen Bericht heißt.

Dennoch sagt Bachelet allen Skeptikern einer Frau an der Spitze der Streitkräfte zum Trotz, dass sie eine gute Beziehung zu den Streitkräften habe, die Militärs würden sie als Generalstochter und damit als eine der Ihren betrachten. Sie wolle sich jetzt vor allem für eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Militär und ziviler Gesellschaft einsetzen. Was aber noch immer ausstehe, sei die Ehrung ihres Vaters. Dieser wäre „sicherlich sehr stolz auf meine Ernennung gewesen, und diese hätte ihn überrascht“.

Sie selbst war über ihre Ernennung wohl am wenigsten verwundert. Bislang stand Bachalet, die zum linken Flügel ihrer Partei gehört und Mitglied im Zentralkomitee ist, im Kabinett des amtierenden Präsidenten Ricardo Lagos dem Gesundheitsministerium vor. Sie ist von Haus aus Chirurgin und Kinderärztin und hat in der DDR studiert. Nach und nach hat sie sich aber zu einer Verteidigungsexpertin gewandelt. In der Nationalakademie für Politische und Strategische Studien des Heeres, absolvierte sie erfolgreich mehrere Aufbaustudiengänge und war Ehrenstipendiatin des Interamerikanischen Kollegs für Verteidigung in Washington. Mehrere chilenische Regierungen hat die Mutter von drei Kindern bislang in Verteidigungsfragen beraten.

Ihre Partei bejubelte die Ernennung von Bachelet zur Verteidigungsministerin. Parteichef Camilio Escalona hofft, dass die Modernisierung der ultrarechten Streitkräften von einer Sozialistin in Gang gesetzt wird, „noch dazu von einer, deren Vater am eigenen Leib die Verletzung der Menschenrechte erleiden musste“.

Der letzte Verteidigungsminister aus den Reihen der Sozialisten war unter Allende Orlando Letelier, der den Putsch zwar überlebte, aber im Jahr 1976 im Exil in Washington durch eine von Augusto Pinochet zu verantwortende Autobombe ermordet wurde.

Die Militärs müssen die Ernennung von Michelle Bachelet zu ihrer neuen Chefin schlucken, und das wird ihnen nicht leicht fallen. Im Gegensatz zu anderen lateinamerikanischen Ländern dürfen Frauen der chilenischen Armee nicht beitreten. Der Chef der Luftwaffe, General Patricio Ríos, ließ verlauten, dass er mit der Ernennung zufrieden sein, dass es aber auch nicht die Aufgabe der Streitkräfte sei, Entscheidungen des Präsidenten zu kommentieren.

INGO MALCHER