press-schlag: David O’Leary und seine „Babys“ von Leeds United
Strolche und Trunkenbolde
Es gibt Fußballclubs, die kann man nicht mögen. Manchester United und Bayern München zum Beispiel, die den Fans für nutzlose Memorabilia das Geld aus der Tasche ziehen, die besten Spieler aufkaufen und jede Niederlage als Majestätsbeleidigung empfinden. Leeds United ist aus anderen Gründen hassenswert. Die Spieler benehmen sich auf dem Rasen und in ihrer Freizeit wie die Axt im Walde, und ihr Trainer David O’Leary, ehemaliger irischer Nationalspieler aus Dublin und glühender Anhänger Margaret Thatchers, ist der Beweis, dass man als Trainer nicht unbedingt Verstand benötigt.
Der Verein sei arm, behauptet O’Leary. Er sagt, Erfahrung und Wert seines Teams seien mit den unterklassigen Klubs Dagenham und Redbridge vergleichbar. Ach? O’Leary hat in den vergangenen drei Jahren 86 Millionen Pfund für neue Spieler ausgegeben. Er verfügt über 20 Nationalspieler. O’Leary selbst verdient ein Vermögen pro Woche.
Weil er aber geldgierig ist, hat er ein Buch geschrieben: „Leeds United On Trial“ – Leeds United vor Gericht. Es erschien zwei Tage nach dem Urteil im Prozess gegen seine beiden Nationalspieler Jonathan Woodgate und Lee Bowyer. Die waren vor zwei Jahren vor einem Nachtclub im Zentrum von Leeds in eine Schlägerei mit ein paar asiatischen Jugendlichen verwickelt. Am Ende lag einer der Asiaten, Sarfraz Najeib, bewusstlos am Boden, Bein und Wangenknochen waren gebrochen, die Nase zertrümmert, das linke Auge verletzt. Eine Kopfplatzwunde musste mit zwölf Stichen genäht werden. Ein Zeuge sagte, Woodgate sei Najeib mit beiden Beinen ins Gesicht gesprungen.
Das Gericht verurteilte Woodgate zu hundert Stunden gemeinnütziger Arbeit. Bowyer wurde zwar vom Vorwurf der Körperverletzung freigesprochen, der Richter bescheinigte beiden jedoch, dass sie Strolche und Trunkenbolde seien, ihre Aussagen seien mit Lügen gespickt. Die Prozesskosten in Höhe von mehr als einer Million Pfund mussten sie daher selbst bezahlen.
Das dürfte ihnen nicht schwer fallen, erhöhte Leeds United doch ihr Gehalt nach dem Prozess beträchtlich. O’Leary, der die Spieler als „meine Babys“ bezeichnet, verteidigt „Woody“ und „Bow“ als „prima Jungs“. Das Verfahren gegen seine sauberen Bürschchen empfand er als Hexenjagd: „Ich wurde das Gefühl nicht los, dass der Prozess von einer falschen Vorstellung von politischer Korrektheit getrieben wurde“, heißt es in dem peinlichen Buch. „Man war scharf darauf, die Gelegenheit zu nutzen, um zwei berühmte Leeds-Fußballer fertig zu machen.“ Najeibs Familie wird es mit Interesse vernommen haben. Sie beschuldigte O’Leary, Blutgeld für sein Buch kassiert zu haben.
O’Leary behauptet, der Fall habe ganz und gar nichts mit Rassismus zu tun. Als Beweis führt er an, dass sich Woodgate und Bowyer täglich vom schwarzen Vereinsmasseur Clive Brown massieren lassen. Ein bisschen schämt er sich allerdings für sie, weil sie „besoffen waren und durch die Straßen gerannt sind“.
Auch der Richter konnte keine rassistischen Motive bei den beiden Spielern erkennen. Die Fans sahen das anders. Die Anhängerschaft von Leeds United ist fast ausschließlich weiß. Viele gratulierten auf der Leeds-Internetseite den beiden Spielern, dass sie einen „Paki“ zerzaust haben. Sie nahmen das als Beweis, dass Woodgate und Bowyer genauso ausländerfeindlich sind wie sie selbst.
Sicher, der Verein unterstützt offiziell die antirassistische Kampagne „Kick Racism Out of Football“, doch die Realität sieht in Leeds anders aus. Zwar erreichten die Rassenunruhen im vorigen Sommer nicht dasselbe Ausmaß wie im benachbarten Bradford, doch auch in Leeds kam es zu Straßenschlachten zwischen weißen und asiatischen Jugendlichen – vor allem, nachdem zwei Leeds-Fans beim Auswärtsspiel in Istanbul erstochen worden waren. Danach wurden in Leeds indische und türkische Restaurants zertrümmert. Der Fußball-Reporter Simon O’Hagan meint, dass das Verhalten der Spieler und die Reaktion des Vereins darauf den Rassisten unter den Fans Auftrieb gibt.
O’Leary schreibt in seinem weinerlichen Buch, das von Belagerungsmentalität zeugt: „Sogar Bin Laden ist zurzeit vergessen. Es hätte mir sehr geholfen, wenn sie ihn gefunden hätten. So schienen alle Kamerateams aus Afghanistan nach Leeds verlegt worden zu sein. Es fehlte nur noch die US-Marine.“ Sein Buch, so behauptet er, handle von Fußball: „Um den Prozess geht es nur in einem von neun Kapiteln.“ In Wahrheit sind es drei, und in den anderen sechs Kapiteln kommt der Prozess auch öfter vor.
Vorigen Monat war der Neueinkauf Robbie Fowler mit einem Freund im Taxi unterwegs. Weil der asiatische Fahrer sich weigerte, die Betrunkenen zu chauffieren, beschimpften sie ihn als „Bin Laden“.
RALF SOTSCHECK
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