: Kein Platz für Wolfgang Schäuble
Kein CDU-Politiker, sondern Bayerns Europaminister Bocklet wird die Union im EU-Reformkonvent vertreten
BERLIN taz ■ Ab Anfang März werden zum ersten Mal in der Geschichte vorrangig Parlamentarier und nicht Regierungsvertreter eine Reform der Europäischen Union beraten – doch schon jetzt ist klar, dass die Bundesregierung den parlamentarischen Charakter des Verfassungskonvents nicht besonders wichtig nimmt. Von drei deutschen Vertretern wird wohl nur einer aus dem Bundestag kommen.
So wird Bundeskanzler Gerhard Schröder am heutigen Freitag den früheren SPD-Bundesgeschäftsführer und Medienwissenschaftler Peter Glotz zum Konventsvertreter der Regierung ernennen. Glotz gilt unter EU-Politikern zwar als „überzeugter Europäer“. Zugleich jedoch wird man bei der Suche nach seiner EU-Kompetenz nur schwer fündig: vor Jahren war Glotz einmal Mitglied im Europaausschuss.
Zu Beginn dieser Woche hatte der Vorstand der SPD-Fraktion zudem fast einstimmig ihren Abgeordenten Jürgen Meyer als Konventsvertreter des Bundestags nominiert. Im Unterschied zu Glotz ist der Vizevorsitzende des Europaausschusses ein EU-Verfassungsexperte, er saß bereits in dem von Roman Herzog geleiteten Grundrechtekonvent. Und doch hat auch diese Entscheidung weitreichende Folgen für die Debatten des Konvents.
Da es im Unterschied zum Grundrechtekonvent in dem jetzigen Reformgremium keine Stellvertreter mit Anwesenheitsrecht gibt, muss die größte Oppositionsfraktion im Bundestag buchstäblich draußen bleiben. Für die CDU/CSU wird allein das Konventsmitglied des Bundesrats sprechen können. Für diesen Posten hat inzwischen der bayerische Europaminister Reinhold Bocklet die besten Chancen.
Eine Entwicklung, über die man in der CDU nicht gerade glücklich ist. Bocklet gilt als starker Vertreter der Interessen seines Bundeslandes, vor allem Bayern drängte die Regierung Schröder, die Frage der Kompetenzabgrenzung zwischen Brüssel und den Mitgliedsstaaten auf die Tagesordnung der Reformdebatte zu setzen – womit sich Deutschland nicht gerade beliebt gemacht hat. Denn die anderen Mitgliedsstaaten haben die Kompetenzfrage eher als Geldfrage verstanden. Tatsächlich geht es Bocklet und seinem Chef Edmund Stoiber darum, Brüssel die Entscheidungsgewalt über die Strukturförderung wegzunehmen. Der Vorsitzende des Europaausschusses des Bundestages, Friedbert Pflüger (CDU), setzte daher bis zuletzt auf eine Kurskorrektur Schröders. Sein Vorschlag: Der Kanzler solle den CDU-Abgeordneten Wolfgang Schäuble anstelle von Glotz zum Konventsvertreter der Bundesregierung ernennen.
Eine Lösung, die auch für Schröder nicht ganz ohne Reiz gewesen wäre: Denn so hätte der CDU-Politiker, der sich in den letzten Monaten am ausführlichsten mit einem EU-Verfassungsvertrag beschäftigte, die Fachkompetenz der deutschen Vertreter im Konvent gestärkt. Und: Schäuble wäre im Wahlkampf „kaltgestellt“. Angesichts der aufwändigen Arbeit im mindestens ein Jahr lang tagenden Konvent wäre ihm dafür nicht mehr viel Zeit geblieben.
Andererseits gilt Schäuble ebenso wie Bocklet als Anhänger einer rigiden Kompetenzabgrenzung. Gemeinsam haben die beiden Ende November umfassende Vorschläge für einen „Europäischen Verfassungsvertrag“ vorgelegt. Darin wird vor allem in Bereichen der Wirtschafts- und Sozialpolitik die Beibehaltung nationaler Traditionen betont. Vorstellungen, die vor allem bei den französischen Sozialisten auf Widerstand stoßen.
Gibt es also gar keine ideale deutsche Konventsdreiergruppe? Wie wäre es mit SPD-Meyer als Regierungsmann, CDU-Schäuble als Bundestagsvertreter und der jungen NRW-Europaministerin Hannelore Kraft (SPD)? So hätte man wohl die optimale Quotierung erreicht.
SABINE HERRE
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