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nachsitzen für bildungsexpertenRot-Rot plant, Mittel für Privatschulen zu kürzen. Die Sparmaßnahmen bedeuten zusätzliche Ausgaben

Schlaues Sparen in der Waldorfschule

Eigentlich ist eine Schultüte etwas Einmaliges. Man bekommt sie nur einmal im Leben – am ersten Schultag. Es sei denn, man ist in der ersten Klasse sitzen geblieben und wird ein zweites Mal eingeschult oder man ist Politiker. So wie die Bildungsexperten, die gestern in Raum 103 der katholischen Schule Sankt Franziskus in Berlin-Schöneberg saßen.

Die Arbeitsgemeinschaft evangelischer und katholischer Schulen in Berlin, der Bundesverband Deutscher Privatschulen sowie die Landesarbeitsgemeinschaft der Waldorfschulen in Berlin-Brandenburg hatten sie zum Mathematikunterricht eingeladen. Thema der Schulstunde: „Schlaues Sparen“.

In den Schultüten fanden die Politiker deshalb keine Süßigkeiten, sondern eine Rechenaufgabe, die Schulleiter Peter Schaumann gemeinsam mit den anwesenden Schülern und Politikern löste. „Wie viel spart unsere Schule gegenüber einer staatlichen Schule pro Jahr ein?“ lautete die Aufgabenstellung. Nach zehn Minuten gemeinsamen Rechnens stand die Antwort fest: 1,8 Millionen Euro. „Und diese 1,8 Millionen Euro kommen der Stadt Berlin zugute“, betonte Schulleiter Schaumann.

Das Ergebnis trifft auf viele Berliner Schulen in freier Trägerschaft zu. Anders als staatliche Bildungseinrichtungen erhalten so genannte Privatschulen wesentlich geringere Zuschüsse vom Staat. Im Fall der katholischen Schule Sankt Franziskus mit ihren 761 Schülern liegen die Fördermittel bei 3,03 Millionen Euro. Eine staatliche Schule vergleichbarer Größe kostet Berlin 4,8 Millionen Euro - fast ein Drittel mehr.

Trotzdem plant der neue rot-rote Senat, die Zuschüsse für Schulen in freier Trägerschaft um insgesamt 9 Prozent zu kürzen. 8 Millionen Euro sollen dadurch in der kommenden Legislaturperiode eingespart werden. „Das Vorhaben wird die Stadt Berlin aber zusätzliche Mittel kosten“, sagte Friedrich Pongartz, Landesvorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Privatschulen Berlin-Brandenburg. Denn bislang wird ein wesentlicher Teil der Personal- und Sachkosten an Privatschulen durch Schulgelder oder Zuschüsse freier Träger finanziert.

Klaus Sieber, Schulrat beim Erzbistum Berlin, hält es für ausgeschlossen, dass Träger wie das Erzbistum, das auch die Schule Sankt Franziskus unterstützt, in Zukunft noch mehr Geld beisteuern könnten. „Nach unseren Berechnungen müsste man deshalb entweder die Schulen schließen oder das Schulgeld verdoppeln“, erklärte Sieber. „Das würde aber die soziale Gleichheit gefährden.“ Gerade Schüler, die durch das soziale Netz der staatlichen Schulen fielen, würden oft auf einer Privatschule untergebracht. Viele Politiker würden das aber nicht erkennen und Privatschulen immer noch mit Schulen für Besserverdienende gleichsetzen, warfen die Vertreter der Träger vor allem Gabriele Heller vor. Auch die PDS-Politikerin hält die Sparmaßnahmen für falsch. Sie hält es aber für unwahrscheinlich, dass die rot-rote Regierung die Zuschüsse in der bisherigen Höhe beibehält: „Haushalts-, nicht Bildungsexperten haben die Kürzungen beschlossen. Dagegen kommen die Privatschulen nicht an.“ Es fehlt eine starke Lobby. Der Anteil der Privatschulen in der Hauptstadt liegt bei gerade mal 5 Prozent. Dennoch forderte Heller, das Thema im Bildungsausschuss noch einmal zu diskutieren. FDP und Grüne haben für kommenden Donnerstag einen Antrag im Abgeordnetenhaus angekündigt, der sich dafür ausspricht, die bisherigen staatlichen Zuschüsse beizubehalten. Sollte der Antrag nicht durchkommen, erwägt das Erzbistum Berlin eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht wegen Verstoßes gegen das Finanzhilfeurteil. MARIJA LATKOVIC

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