Nur eine weitere Finanzierungsquelle

Nationalkulturort Halle: Bei der Gründung der Bundeskulturstiftung umgeht das Kabinett die Frage einer gesamtstaatlichen Kulturpolitik

Halle, das war, so hört man, ein Kanzlerwort. Und gegen Kanzlerworte ist man machtlos. Auch Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin. Daher hat die Bundeskulturstiftung jetzt ihren Sitz in der anhaltinischen Provinz. Sie wird in Halle bei den Franck'schen Stiftungen Unterschlupf finden, während die Kulturstiftung der Länder in der Bundeshauptstadt Berlin am Ku’damm residiert. Die aberwitzige geografische Verortung der Institutionen darf als symptomatisch gelten. Sie zeigt, wer in Sachen Kultur das Sagen hat. Es sind die Länderchefs – und dafür steht auch Gerhard Schröder mit seinem Geschenk an seinen Parteifreund ein, den Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Reinhard Höppner.

Nein, großartige Unterstützung hat der Staatsminister für sein Projekt einer gemeinsam mit den Ländern getragenen Nationalstiftung für Kultur von seinem Kanzler nicht mehr erhalten, nachdem sich im Laufe eines langen Herbstes abzeichnete, dass die Länder dieser Idee ablehnend gegenüber stehen. Ende Dezember wurde aus der Ahnung Gewissheit und so wurde nun diese Woche im Kabinett der Alleingang Nida-Rümelins und seiner Stiftung durchgewunken. Wegen einer eventuellen, späteren Fusion mit der privatrechtlich verfassten Länderstiftung – man soll die Hoffnung ja nie aufgeben – wird die Bundeskulturstiftung ebenfalls privatrechtlich gegründet werden.

Noch in diesem Quartal wird sie ihre Arbeit aufnehmen, mit einem Etat von 12,5 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt. Zur personellen Besetzung des Vorstands wollte sich Nida-Rümelin bislang nicht äußern. Freilich, mit der im letzten Sommer als künstlerische Beraterin an das Haus des Staatsministers berufenen Kulturmanagerin Hortensia Völckers stünde eine künstlerische Leiterin parat. Ob ihre Vorstellungen von einer „entgrenzten“ Kunst als einem „polyzentrischen und multivalenten System“ von Halle aus gut kommen werden? Schon in Berlin klingt diese Art Art Talk etwas angestrengt. Doch der Versuch, die heikle Frage nach neuen Formen einer gesamtstaatlichen Kulturpolitik, also nach einer nationalen Verantwortung für die kulturelle Entwicklung Deutschlands, tunlichst zu umgehen, kann nur zu angestrengten Statements führen. So geht es der Stiftung jetzt also um die „Förderung innovativer Programme und Projekte im internationalen Kontext“. Dass sich darunter niemand etwas Genaueres vorstellen kann, ist gewollt. Schlau wäre es natürlich, wenn sich die Stiftung (ganz unverdächtig von Halle aus) mit ihrer Projektförderung auf Berlin stürzen würde. Hier gäbe es großen Bedarf an Geld für eine „zeitgemäße Avantgarde“ und genügend Minderheiten, die kulturell zu integrieren wären. Natürlich würde ein solches Vorgehen den Neid der anderen Länder wecken, aber damit vielleicht auch ihre Bereitschaft, in die Bundeskulturstiftung einzusteigen. Streit gäbe es in jedem Fall. Nur: Es kann wohl kaum der Sinn der Bundeskulturstiftung sein, im Dschungel all der schon heute nicht mehr überschaubaren Förderaktivitäten von Kommunen, Ländern, Bund und EU, nur eine weitere Finanzierungsquelle zu sein.

BRIGITTE WERNEBURG