piwik no script img

Dickhäuter mit Gehproblemen

Surak, einziger Elefant in Weißrussland, leidet an einer schmerzhaften Erkrankung der Füße. Sein Leben ist in Gefahr

Das Dasein ist hart für einen Elefanten, besonders dann, wenn er in Weißrussland lebt. Und jetzt auch noch das: Surak, landesweit das einzige Exemplar seiner Spezies und im Zoo der Stadt Grodno beheimatet, ist ernstlich erkrankt. Seit knapp drei Wochen leidet das fünf Tonnen schwere Tier unter schmerzhaften Hautrissen an den Fußsohlen. Deshalb ist Surak derzeit kaum dazu zu bewegen, seine täglichen Runden im Gehege zu absolvieren – auch nicht vom Zoopersonal, das mit allerlei Tricks und Finessen den Elefanten bei Laune und in Gang zu halten versucht. Denn sollte Surak, mit 44 Jahren ohnehin schon im Rentenalter, nicht mehr auf die Beine kommen, würde das sein baldiges Ende bedeuten.

1965, im Alter von sieben Jahren, verschlug es Surak, der indische Vorfahren hat, aus dem Leipziger Zoo nach Grodno – quasi als Geschenk der DDR an den großen Bruder Sowjetunion. Damals hatte er noch Gesellschaft, gab es doch in dem einzigen weißrussischen Zoo auch noch eine Elefantendame. Diese starb Anfang der 80er-Jahre. Einen neuen Gefährten für Surak konnte die Tierparkleitung nicht beschaffen – es mangelte an Geld und auch an Platz.

Seitdem fristet der Elefant, wie die anderen Zoobewohner, ein eher trübsinniges Dasein. Der magere Speiseplan bietet das, was Abfälle aus Betriebskantinen und freiwillige Spenden von Privatpersonen hergegeben: So bekommt Surak Kartoffeln, Rüben, Möhren, Zucker, weißes und schwarzes Brot, manchmal auch eine Portion Brei. Doch der Dickhäuter ist auch ein Dickkopf – mitunter mit tragischen Folgen. Vor vier Jahren, bei einer Fütterung, passte dem Elefanten das Menü nicht. Er stampfte vor Wut mit dem Fuß auf und traf eine Wärterin, die kurz darauf an ihren Verletzungen starb.

Seine jetzige Erkrankung stellt den Zoo, der finanziell chronisch klamm ist, vor schwierige Probleme. Zwar hat die Direktorin Selina Iwanowna nach Beratung mit Tierärzten in Moskau besondere Cremes, fetthaltige Salben und, in kleinen Mengen, sogar Antibiotika für Surak aufgetrieben. Doch ob der kleine Vorrat reicht, ist fraglich.

Zumindest der Appetit ist dem angeschlagenen Rüsseltier noch nicht vergangen. Doch kämpfen seine Betreuer mit einem anderen Problem: Mittlerweile ist es zu Suraks Lieblingsbeschäftigung geworden, den Wärtern die bittere Medizin, obgleich in der Nahrung gut versteckt, ins Gesicht zu spucken. Ansonsten erweist sich der Elefant als kooperativer Patient. Bei der unangenehmen täglichen Pediküre hilft er mit seinem Rüssel, die Salben zu verteilen, und angelt sich, auf die gleiche Weise, Kräuter für seine schmerzenden Extremitäten.

Das Schicksal Suraks, der seit Generationen die Attraktion Nummer eins im Grodnoer Zoo ist, hat viele Bewohner der Stadt im Westen des Landes mobilisert. Schulklassen sammelten Geld, Privatleute brachten Wodka und anderes Hochprozentige in den Zoo, um die Wunden desinfizieren zu können. Eine Fabrik spendete einen Sack Zucker.

Seine Erkrankung hat Surak Publizität weit über Grodno hinaus beschert. Sogar das weißrussische staatliche Fernsehen berichtete an prominenter Stelle über den fußlahmen Elefanten. Damit hat Surak im autoritären Reich von Staatspräsident Alexander Lukaschenko immerhin schon mehr erreicht als die Opposition. BARBARA OERTEL

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen