zahl der woche: Kleiner Angestellter verursacht Bankenskandal
750 Millionen verschwinden – und keiner merkt’s
John Rusnak ist 37 Jahre alt, hat zwei Kinder und geht regelmäßig zur Kirche. Er verdient 85.000 Dollar im Jahr und wenn man ihn fragt, wo die 750 Millionen Dollar geblieben sind, sagt er: „Kein Kommentar.“
Denn offensichtlich weiß er es selbst nicht. Rusnak ist – oder besser war – Angestellter der Allied Irish Banks (AIB) in Baltimore und zentrale Person in einem der größten Bankenskandale der USA. Mit einem Kollegen war Rusnak zuständig für das Devisengeschäft. Und weil der Yen gegenüber dem Dollar im letzten Jahr um 15 Prozent fiel, sicherte er die Deals mit Optionsverträgen ab. Die aber erwiesen sich ebenfalls als faul. Rusnak rutschte mit dem Geld seiner Bank tief in die roten Zahlen. Dann versuchte er nach Recherchen der Financial Times und des Wall Street Journal offenbar, die Verluste durch Aktiengeschäfte wieder auszugleichen.
Da aber machte ihm der Absturz der Kurse im letzten Jahr einen Strich durch die Rechnung. Das Ergebnis: 750 Millionen Dollar der Bank sind futsch. Die AIB als größte Privatbank Irlands ist zwar nicht pleite und kündigte trotzdem einen Gewinn für 2001 an, aber der Ruf ist ruiniert, und sie gilt als Übernahmekandidat. Das FBI ermittelt gegen Rusnak, die US-Zentralbank und die Bundesstaatsbehörden gegen seine Kollegen. Niemand bemerkte seine Schwindeleien bis vor ein paar Tagen. Dann kam Rusnak nicht zur Arbeit, und die Ermittler vermuteten ihn mit den Millionen auf einer Karibikinsel. Er aber saß zu Hause. Persönlich bereichert hat er sich wohl nicht.
Nun fragen sich Banker, Kunden und Behörden, warum niemand von dem Millionenloch etwas mitbekommen hat. Die Behörden sind nach ähnlichen Vorfällen an der Wall Street in der letzten Zeit und dem aktuellen Enron-Desaster nicht zum Scherzen aufgelegt, wenn es um den Ruf des Finanzplatzes USA geht. Köpfe werden rollen, die Bank muss eine hohe Buße oder im schlimmsten Fall den Ausschluss vom US-Markt befürchten. Böse Erinnerungen werden wach an Nick Leeson, den Spekulanten der englischen Barings Bank, der 1995 mit geplatzten Devisendeals sein Traditionshaus in die Pleite trieb. Leeson, inzwischen aus dem Gefängnis entlassen, meldete sich gleich zu Wort. Die „Inkompetenz ist schockierend“, ließ er verlauten. Schließlich wisse keiner besser als er selbst, mit „welch einfachen Kontrollen man mich hätte schnappen können.“ BERNHARD PÖTTER
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