: Kämpfer für Ausgleich und Demokratie
Der ägyptische Sozialwissenschaftler Saad Eddin Ibrahim erhält heute den Jenaer Preis für Menschenrechte
Der Jenaer Preis für Internationale Verständigung und Menschenrechte wird heute an den ägyptischen Sozialwissenschaftler Saad Eddin Ibrahim verliehen. Er selber kann den mit etwa 3.700 Euro dotierten Preis der Ulrich-Zwiener-Stiftung in Jena aber nicht persönlich entgegennehmen. Ibrahim wurde erst vor einer Woche in Kairo aus dem Gefängnis entlassen.
Der 63-jährige Ibrahim ist Mitglied mehrerer internationaler Menschenrechts- und Forschungsinstitute und arbeitet als Vorsitzender der Ägyptischen Unabhängigen Kommission für Transparenz der Wahlen. Mit Weggefährten gründete er 1988 das Ibn Khaldun Center, eine ägyptische Bürgerinitiative für demokratische Bildung und Rechtsforschung.
In dem autokratisch regierten Land war es den Machthabern ein Dorn im Auge, dass Ibrahim mit seinen Kollegen in einem Dokumentarfilm über die gängigen Wahlfälschungen berichtete. Zwar sind solche Berichterstattungen in Ägypten nicht strafbar, aber die Obrigkeit findet immer einen Weg, ihre Gegner hinter Gitter zu bringen.
Ein Gesetz wurde für die Verurteilung von Ibrahim missbraucht, das eigentlich das Land vor muslimischen Fundamentalisten schützen soll. Demnach dürfen Vereine oder Einrichtungen in Ägypten nur Geld aus dem Ausland annehmen, wenn die Regierung dafür eine Genehmigung erteilt hat. So wird das Land zwar vor Fundamentalisten geschützt, die Geld von Netzwerken wie al-Qaida bekommen, aber so wird auch Menschenrechtlern wie Ibrahim die Arbeit unmöglich gemacht.
Da der Soziologe für seinen Film finanzielle Unterstützung von der Europäischen Union erhielt, wurde er 2001 zu einer Haftstrafe von 7 Jahren verurteilt. Vom Ibn Khaldun Center folgten 27 mitangeklagte Kollegen ihrem Präsidenten in den Kerker von Kairo.
Als die Ulrich-Zwiener-Stiftung die Entscheidung traf, den ägyptischen Soziologen in Jena zu ehren, war der Professor der Kairoer Amerikanischen Universität noch in Haft. In der Begründung der Juroren heißt es: er habe sich „über vier Jahrzehnte ohne persönliche Rücksichten für Demokratie und Menschenrechte in seinem Land und für die Verständigung zwischen Ägyptern, Israelis, Palästinensern, zwischen Arabern, Europäern und Amerikanern eingesetzt“.
Eine Woche vor der heutigen Zeremonie ereilte die Stiftung die gute Nachricht, dass Ibrahim und seine Kollegen am 8. Februar freigelassen worden seien. Menschenrechtsorganisationen hatten zuvor die ägyptische Regierung mit Protestbriefen bombardiert und der Jenaer Preis scheint den internationalen Druck noch erhöht zu haben. Der Oberste Gerichtshof des Landes widerrief das Urteil und wies die Klage an ein örtliches Gericht zurück.
Ibrahim durfte das Gefängnis verlassen. Aber wie so oft in Ägypten ist die Entscheidung des Gerichts nur ein Teilerfolg für die Demokratie. Der Professor, der in Kairo studierte und an der Universität von Washington 1969 promovierte, muss jetzt abwarten, bis sein Fall wieder aufgenommen wird. Derweil erholt sich Ibrahim momentan von den unmenschlichen Haftbedingungen auf seinem Bauernhof in der Wüste und hofft, dass die Behörden ihm bald einen Pass ausstellen. GERGELY MÁRTON
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