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Opel, Opel

Mehr Crash, weniger Witz: von Richthofen und Gwildis gaben ein Konzert mit Hammer, Flex und einem Kadett E

Während sich der Zuschauerraum im BKA-Zelt gegen 20 Uhr füllt, steht auf der Bühne schon das Auto. Unter der Abdeckplane ist nur seine Silhouette zu erkennen. Als die Show beginnt, hebt sich anstelle des Vorhangs die Plane und gibt den Blick frei auf einen frisch gewaschenen weißen Opel Kadett E, lediglich die Radkappen fehlen. Eine männliche Stimme auf Tonband deklamiert aus dem Off von der menschlichen Seele. Die Atmosphäre ist für einen Moment die der Stille nach dem Zusammenstoß, wenn die Scheinwerfer den Dampf ausleuchten, der unter der Motorhaube hervorquillt. Dann öffnet sich die Tür. Heraus purzeln die Hamburger Schauspieler und Musiker Christian von Richthofen und Stefan Gwildis, geistige Väter und Produzenten der Show unter der Regie von Rolf Claussen. An den Füßen tragen sie Springerstiefel mit Stahlkappen, ansonsten nichts als – überdimensionale Babywindeln.

Damit ist die Spannung vorbei, und es wird klar, dass es sich hier, trotz des Labels „Rhythm and Crash“, um ein Konzert mit Comedy-Einschlag handelt. Babyhafte Neugier mimend, klettern die beiden auf Motorhaube und Dach, juchzen „Auto! Auto!“ und verpassen dem Gefährt die ersten noch sanften Klapse. Der Anblick von Männern in Babywindeln ist allerdings von Otto Waalkes als Baby Otto bereits ausgereizt worden und erzeugt daher den leisen Ekel des Überdrusses. Die Hoffnung, dass diese Autoshow ein cooles Spektakel werden könnte (man denke an Blech fressende Monstertrucks), wird im Keim erstickt. Die Künstler altern nun im Zeitraffer und werden zu erwachsenen Orchestermusikern mit Hose, Hemd und Fliege.

Die feierliche Ansage, dass bereits Karajan das Auto als Instrument zu schätzen gewusst und seinen Tod in Wahrheit beim außerehelichen Sex im Auto gefunden habe, steht für einen Moment haltlos im Raum. Endlich wird das Auto mit einem Samba zum Instrument geweiht. Wie Konga-Trommler bearbeiten von Richthofen, gelernter Schlagzeuger, und Gwildis, dessen Stärke besonders im dazu angestimmten Gesang liegt, das Blech. Knallende Autotüren setzen Akzente, ein heftiger Tritt mit dem Stahlkappenschuh hinterlässt die erste Beule. Beim Swing zersplittert die Frontscheibe, der Seitenspiegel hängt nur noch an einem Draht und bewegt sich im Takt. Wo von Richthofen und Gwildis sich an ihr Motto halten und das Auto als Instrument mit besonderem Resonanzkörper auch benutzen, wo Gwildis’ Stimme bei „Blizzard“ vom Autodach herunter dreckig nach Surf-Rock klingt oder im Feinrippunterhemd mit Hammer, Beil und Flex gearbeitet wird, erlebt die Show ihre Höhepunkte.

Wenn beide jedoch für Gesangseinlagen und Sketche den Kontakt zum Fahrzeug abbrechen, flacht das Ganze ab: Bei der A-Capella-Version von „If I had a Hammer“ beispielsweise intoniert Gwildis als „Human Beatbox“ das Wort „Kondom“. Das umfangreiche Arsenal von Stimmgewalt, Körperbeherrschung und Musikalität fällt hinter den Sparwitz zurück. Der Kadett E macht unterdessen, bis die Scheinwerfer zerplatzen, ein freundliches Gesicht. JULIE MIESS

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