: Der Kaufring ist schon im Ausverkauf
Nach der Pleite geht nun der Sanierer um: Das erste Haus des Einkaufssystems hat seine Schließung angekündigt
KEVELAER taz ■ Sonst pilgern tausende Gläubige in den Wallfahrtsort Kevelaer – derzeit kommen vor allem Schnäppchenjäger. In der Stadt am Niederrhein schließt das örtliche Kaufhaus. Der Beginn im bundesweiten Showdown der Kaufring-Pleite, die erste Geschäftsaufgabe, nachdem am Freitag das Insolvenzverfahren über den Mutterkonzern eröffnet wurde. Und sie wird nicht die einzige bleiben, der Einzelhandelsverband befürchtet rund 200 Schließungen.
Am Kevelaerer Kaufhaus kündigen große Fahnen den Räumungsverkauf an. Mitinhaber Martin Verbeeten (58) steht nervös an der Kasse, reduziert alle Waren um 25 Prozent. Der eilige Rotstift regiert. Es soll schnell gehen, um bis zum Monatsende ein letztes Mal Geld in die Kasse des kriselnden Hauses zu spülen. Verbindlichkeiten müssen abgelöst werden. Die Bank macht Druck.
Verbeeten unterbricht seine Arbeit nur ungern, denn dann überkommt ihn das Nachdenken. Als Lehrling hat er in einem Kaufring-Haus angefangen und sich hochgearbeitet. Bis Ende März muss er jetzt seine Läden in Kevelaer und Xanten auflösen. Dann ist er arbeitslos. Dem Einkaufssystem Kaufring verdanke er viel, sagt er. Die Zentrale übernahm Buch- und Rechnungsführung, vergab manchmal augenzwinkernd günstige Sonderposten und half bei einer Finanzierung über Wechsel.
„Das war wie eine große Familie“, sagt auch Udo Kellmann, der noch um die Zukunft seines Kaufring-Hauses in Bergisch Gladbach bangt. So gut die Warenhaus-Chefs aber mit der Düsseldorfer Konzernmutter lebten, so sauer sind sie jetzt auf die Führungsetage. „Wir haben denen vertraut, und jetzt ist alles weg.“ Aktien der familiären AG haben 99 Prozent ihres Wertes verloren. Viele Inhaber der einzelnen Häuser sitzen auf Schulden, weil der Kaufring Rechnungen nicht beglichen hat. Etliche Arbeitsplätze vor Ort gehen flöten. Verstehen können die gebeutelten Geschäftsleute das nicht. Sie munkeln, dass es dubios sei, wie das Sanierungskonzept in letzter Sekunde scheiterte. Kritisieren den zuvor eingeschlagenen waghalsigen Expansionskurs der Konzernspitze.
Verbeeten hat damit abgeschlossen. Vieles, was den Namen Kaufring trägt, hat er auf den Müll geworfen: „Ich traue mich am Telefon gar nicht mehr, den Namen zu nennen.“
Der Kölner Sanierer Holger Leicht berät die Unternehmen und sorgt dafür, dass nicht lukrative Abteilungen umgekrempelt werden. In Kevelaer konnte er nur noch den Räumungsverkauf organisieren, zu hoch waren die Verbindlichkeiten, zu schlecht das Kaufring-Image bei den Banken. Die Stimmung sei für alle bedrückend, so Leicht: „In den Pausen helfe ich den Mitarbeitern schon mal, Bewerbungen zu schreiben. Viele haben hier Jahrzehnte gearbeitet und wissen gar nicht mehr, wie das geht.“
Überhaupt ist es um die Angestellten, die durch Folgekonkurse betroffen sind, schlecht bestellt. „Das war eine geschlossene Gesellschaft“, sagt Rüdiger Kukereit von der Gewerkschaft Ver.di. In den mittleren Einzelhandelsbetrieben gebe es kaum Betriebsräte: „Da haben wir wenig Einfluss auf die Abwicklung.“
Verbeeten steht nun schon den ganzen Tag an der Kasse, erklärt den Kunden immer wieder geduldig, dass am 28. März die Türen endgültig schließen. Manche werden frech, wollen die Artikel noch mehr reduziert haben. Andere werden sentimental, bedauern das Ende. Gefühle, die an Verbeeten kaum heran dringen. Er stürzt sich in die Arbeit. Schließlich hat er eine Familie verloren. FRANK ÜBERALL
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