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Weg mit dem Wasserkopf

Die Amateurboxer stehen vor einer Reform, das wichtigste Turnier, der Chemiepokal, vor einer ungewissen Zukunft

BERLIN taz ■ Profiboxfans dürfte dieser Anblick verwundern: Da steigen die Boxer schon nach acht Minuten aus dem Ring, weil der Kampf nur über vier Runden geht. Kaum einer taumelt zu Boden, K.o. wird gleich gar keiner geschlagen. Und obendrein schauen die Sportler ganz untypisch aus. Statt barbrüstig umherzutänzeln wie Dariusz Michalczewski oder Sven Ottke, tragen diese ein Leibchen, und auf dem Kopf sitzt einen ulkiger Turban, der vor allzu üblen Kopftreffern schützen soll. Der Tyson-geschulte Fan wird freilich schnell herausfinden: Es kann sich hierbei nur um Amateurboxen handeln.

Derzeit findet in Halle/Saale das traditionsreichste deutsche Boxturnier statt, der Chemiepokal. Zu DDR-Zeiten war das eine recht große Veranstaltung. Henry Maske schlug in der Hallenser Eissporthalle vor 4.000 Zuschauern seine Kombinationen. Das DDR-Fernsehen übertrug live über mehrere Tage. Die Botschaft, die gleich mit über die Mattscheibe flimmerte, lautete: Dieser Sport ist sauber, unkommerziell, frei von Halbweltlern, somit dem verruchten westlichen Profiboxen haushoch überlegen.

Die Boxveranstalter in Halle glauben noch immer, die hehren Ideale einer vergangenen Zeit hochhalten zu können, wenngleich vom einstigen Glanz nichts mehr geblieben ist. Das Turnier kämpft jährlich ums Überleben. Obwohl die Veranstaltung Sponsorengelder bitter nötig hat, spricht Cheforganisator Manfrad Jost von der „Abartigkeit des Kommerz“ und dem „Gift des Profigeschäfts“. Die Galle wird ihm aufgestiegen sein, als er hörte, dass der deutsche Verband das Wörtchen Amateur aus dem Namen strich und fortan Deutscher Box-Verband (DBV) heißt. Die Namensänderung war durchaus programmatisch zu verstehen, galt es doch für den Präsidenten Paul Forschbach, die Amateurfraktion im Verband kaltzustellen. Vor ihm rieben sich zwei Präsidenten im Machtkampf mit den Amateur-Fundis auf.

Laien-Image

Realo Forschbach will den Verband nun reformieren, was Sportwart Alexander Mazur zur munteren Prognose verleitet, „schon bald“ seien gemeinsame Kampfabende von Profis und Amateuren vorstellbar. „Man muss sich von alten Pfründen verabschieden“, sagt er. Man wolle sich endgültig vom „Laien- und Hobby-Image“ lösen, das mit dem Amateurboxen verbunden sei, ergänzt Forschbach.

Tatsächlich musste dringend etwas unternommen werden. Denn bei den letzten Großveranstaltungen sprang kaum etwas heraus für die deutschen Boxer. Bei Olympia in Sydney gab’s nur eine Bronzemedaille. Auch bei der WM 2001 in Belfast stieg nur ein deutscher Boxer aufs Podest. Vitali Boot, der in der dritten deutschen Liga boxt, holte die Plakette, musste aber im Halbfinale wegen drückender Überlegenheit seines Gegners aus dem Kampf genommen werden. Bei den Europameisterschaften im russischen Perm im Juli soll nun ein leichter Aufwärtstrend erkennbar sein.

Den verhaltenen Optimismus unterstützt ein Vertrag mit dem Universum-Profiboxstall. Der Kontrakt liegt zur Unterschrift bereit. Die Hamburger wollen einen sechsstelligen Bertrag zuschießen. Zuvor engagierte sich die Konkurrenz von Sauerland. Wegen der Turbulenzen im Verband stieg Sauerland jedoch aus. Nun sollen wieder Gespräche aufgenommen werden. „Wir wollen auch auf Sauerland zugehen“, sagt Sportwart Mazur.

Im neuen Universum-Kontrakt ist festgeschrieben, dass die Amateurboxer nicht vor Olympia 2004 abgeworben werden dürfen. „Nur wer bereit ist, sich bis 2004 zu verpflichten, wird im Elitekader berücksichtigt werden“, berichtet Forschbach. Ein halbes Dutzend Sportler soll in einer „Mini-Staffel“ besonders gefördert werden. „Wenn wir jetzt nicht den Anschluss schaffen, dann nie mehr“, glaubt Cheftrainer Helmut Ranze.

Korrupter Weltverband

Doch nicht nur auf nationaler Ebene soll es vorangehen. Auch dem Weltverband AIBA, ein berüchtigter Hort von Korruption und Mauschelei, will der DBV seine Positionen vorlegen. Mazur möchte den Kopfschutz abschaffen, zur Kampfdauer von drei mal drei Minuten zurückkehren und zudem das „Management der AIBA straffen. Erst muss der Wasserkopf im deutschen Verband weg und dann im Weltverband.“ Im November steht eine AIBA-Tagung in Kairo an.

Ob die möglichen Neuerungen den Chemiepokal retten können? Wohl kaum. Letztes Jahr schien das Aus bereits unabwendbar. Nur der gute Kontakt von Organisator Jost zu den kubanischen Weltklasseboxern rettete den Chemiepokal. Wie vor Jahresfrist wird auch heuer im kleinen Kreis eines Hallenser Hotels geboxt. Viele Zuschauer kommen nicht. Aber für die Sportler hat das familiäre Ambiente gewisse Vorteile: „Die können in Hausschuhen zum Ring gehen und zurück ins Hotelzimmer“, sagt Alexander Mazur. Welcher Profiboxer kann das für sich in Anspruch nehmen?

MARKUS VÖLKER

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