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buchmessernDas Ranking der Literatur in Leipzig

Grass vor Wolf, dann Kempowski

Die Buchhändlerin aus Quedlinburg kann mit Günter Grass nichts anfangen. „Katz und Maus“ hätte ihr ja stilistisch gut gefallen, aber für „Ein weites Feld“ oder jetzt „Im Krebsgang“ sei sie mit 43 Jahren wohl zu jung: „Die Begeisterung für Grass scheint generationsabhängig zu sein“, mutmaßt sie bei einer Melange am Stand des österreichischen Buchverbandes. Die Quedlinburgerin ist die Ausnahme: In der Messebuchhandlung stehen sie zu hunderten und warten, dass er ihnen Bücher signiere; einen Tag später ist das „Berliner Zimmer“ eine Stunde vor Grass’ Lesung gerappelt voll. Wie auf Popkonzerten stehen die Leute dicht an dicht, um einen Blick auf ihren Helden erhaschen zu können.

Günter Grass ist der Star dieser Messe, dicht gefolgt von Christa Wolf, die nirgendwo vor Autogrammjägern sicher ist und ebenfalls vor immer übervollen Häusern liest. Dass der Preis zur Förderung unabhängiger Kleinverlage, der Kurt-Wolff-Preis, an den Maro Verlag Augsburg geht; dass wieder einmal die Umsätze rückläufig sind und die Betriebsprofis flüstern, dass das Verlagssystem kurz vorm Kollpas stehe; oder dass der Kroate Bora Ćosić einen europäischen Verständigungspreis erhält – all das scheint im Angesicht Grass’scher Größe nur am Rande zu interessieren.

Die Buchmesse in Leipzig ist ein Spektakel, das gern angenommen wird – an den ersten beiden Tagen kamen 6.000 Besucher mehr als im Vorjahr. Klar, dass da bei 3sat neben Aufbau-Verleger Bernd Lunkewitz auch Ruth Maria Kubitschek sitzen muss und sagen kann, sie wolle der Natur die Seele zurückgeben. Der Trubel um Grass oder Wolf funktioniert nach demselben System, nach dem es jeder Bestseller den Verlagen ermöglicht, auch schwierige, nicht so erfolgversprechende, aber tolle Bücher zu veröffentlichen. So sind die Debütantenrunden trotz des Backlashs vergangener Jahre gut besucht, und auch ein Kinderbuchautor wie der Österreicher Hubert Schirneck hat bei der Lesung aus „Das Neueste von den 7 Zwergen“ sein Publikum – wenn auch keine Kinder. Es mag „Promigeilheit“ sein, die laut einer Kollegin das Publikum zu Grass treibt. Doch vielleicht ist es die Sehnsucht nach gewichtigen, weisen Worten fern von Tagespolitik und Fernsehterror.

Walter Kemposwki jedenfalls erhält tosenden Applaus, als er im Plauderton von der „Verblödung“ der Gesellschaft spricht, von zunehmender „Verpestung“ durchs Fernsehen. Trotzdem hält er die Demokratie für die beste aller Staatsformen, denn: „Eine Autokratie von Geistesgrößen, das wäre auch schlimm!“ GERRIT BARTELS

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