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Auf den Punkt

Skurril: Bei den Stücken der Choreografin Alex B. geht es um Identität und Täuschung. Ein Porträt

von JANA SITTNICK

Alex B. kommt schnell zur Sache. Sie einigt sich mit den Technikern auf eine Pause, damit der Proberaum leer ist und der Fotograf anfangen kann. Danach zeigt sie mit Partner Jean Marc Lebon Ausschnitte aus ihrem neuen Stück. Nach zehn Minuten geht sie abrupt von der Tanzfläche, wischt sich den Schweiß von der Stirn, steckt sich eine Zigarette an und sagt: „Komm, wir gehen nach oben, dann können die hier weitermachen.“

Alex B. ist Choreografin. Mit ihren letzten beiden Stücken, „The lefthanded man“ und „Graceland“, machte sie sich in Berlin und Deutschland einen Namen. „The lefthanded man“ wurde im letzten Jahr nach Taipeh eingeladen. Tanz ist für die 37-Jährige vor allem Arbeit, Arbeit an ihrem Material, die Suche nach dem Kern einer Idee und der Anstengung, diese in eine Form zu gießen. Ihr neues Stück folgt der Idee eines vielfach gesplitterten, in sich differenzierten Subjekts, das sich mit sich selbst konfrontiert und entdeckt, dass es keine einheitliche Identität besitzt. „Me, Myself and I“, getanzt als Duett von Alex B. und Jean Marc Lebon, ist ein Wechselspiel verschiedener Subsubjekte, die sich begegnen.

Alex B. sitzt in ausgeleierten grünen Trainingshosen und graubeigem Pullover auf der Couch in ihrer Künstlergarderobe. Die dunkelbraunen Haare sind zum Pferdeschwanz gebunden und wippen im Takt ihrer Bewegungen. Eitelkeit passe nicht zu ihrem Business, sagt sie mit tiefer Stimme. Sie erzählt, dass sie Gruppenstücke nerven, „in denen der Choreograf mit auf der Bühne ist und dann auch noch den Solopart selber tanzt, damit alle sehen, wie toll er es draufhat“. Nicht dass sie nicht narzisstisch wäre. „Ich grins mir einen, wenn ich es bei mir merke, und versuche, darüber hinweg zu gehen.“

Seit acht Jahren lebt die gebürtige Rheinländerin in Berlin. Davor war sie etliche Jahre im Ausland, um das Tanzen zu lernen. Mitte der 80er-Jahre kam sie als 20-Jährige von Bingen am Rhein nach Westberlin, um berühmt zu werden. Zu Haus hatte sie fünfmal die Woche an der Stange geübt, doch zu spät mit Ballett angefangen, um an Staatstheatern noch als sterbender Schwan durchzugehen. In Berlin erfüllten sich ihre Hoffnungen nicht. „Für Modernen Tanz gab es damals kaum gute Schulen hier, die Tanzszene war klein, fast wie ein geschlossener Zirkel“, sagt die Künstlerin mit gesenkter Stimme, als würde sie noch heute ihr Nest durch solche Äußerungen beschmutzen. Eine Tanzlehrerin sagte ihr, sie müsste „raus aus Deutschland“, um was zu werden. „Und da bin ich wieder weggegangen.“ Sie studierte am „Laban Centre for Movement and Dance“ in London und lehrte später Tanz in Amsterdam, Hongkong und Peking. Heute choreografiert sie Tanzstücke, unabhängige Produktionen mit kleinen Budgets, die von Männern erzählen, von Frauen, von Identitätsverwicklungen und Täuschungsmanövern. Ihr Bewegungsmaterial ist schnörkellos, abstrakt und verdichtet, manchmal skurril. Fröhlich eher selten.

Die Proben zum neuen Stück laufen im Tacheles. Der Ruheraum mit der Couch ist durch eine Stahlwendeltreppe mit dem Theatersaal verbunden. Von hier oben schaut man durch Isofenster über den Skulpturengarten und rote Ziegeldächer hinweg in den graublauen Himmel. Es ist ein weiter Blick.

Alex B. sucht die Auseinandersetzung mit der „inneren Stimme, dem Zweifler, dem Kritiker, dem Schweinehund“, Antworten will sie nicht, kann sie nicht geben. Und auch keine „Boy-meets-girl“-Geschichten erzählen. Obwohl sie mit einem Mann im Duett tanzt, da liegt das Thema „Geschlechterkrieg“ nahe. Zu kurz gegriffen. „Ich habe ein Stück über Männer und ein Stück über Frauen gemacht“, meint die Choreografin, „und das war klar, dass ich diesmal darüber hinausgehe.“

Tanz ist für Alex B. „unmittelbares Sprechen“. Am schönsten sei es, „auf den Punkt zu kommen.“ Zu wissen, dass eine Bewegung sitzt und das Gefühl oder den Gedanken transportiert, der dahinter steckt. In ihren letzten beiden Gruppenstücken schaute die Choreografin von außen, um die Abläufe zu kontrollieren. Nun tanzt sie wieder selbst. „Gut zu wissen, wie sich ein Tänzer fühlt, der etwas darstellen muss, was ein anderer sich ausgedacht hat.“ „Auf den Boden kommen“ nennt sie das. Um den Flow, das Nicht-mehr-von-dieser-Welt-Sein, geht es auch. Deshalb sind die ersten Aufführungen auch nicht die besten. „Erst wenn wir uns an das Stück gewöhnt haben, können wir uns fallen lassen, und dann führe nicht mehr ich die Regie, sondern der Tanz.“

„Me, Myself and I“ von Alex B., mit anschl. Electro-Live-Konzert von „Dictaphone“, bis So, 31. 3., 20 Uhr, Tacheles, Oranienburger Str. 54–56, Mitte

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