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Polizeisirenen für Kabul

Afghanistans Polizei wird jetzt mit deutscher Hilfe ausgerüstet und ausgebildet. Den Anfang machen neue Einsatzfahrzeuge für Kabuls bunte Polizeitruppe, die sogleich als neue Statussymbole dienen

aus Kabul BERNARD IMHASLY

In Kabul gesellen sich zum Verkehrslärm von Fahrradklingeln und Autohupen seit Gründonnerstag Polizeisirenen. Und das gleich in solcher Zahl, dass die verdutzten „Kabulis“ sich fragen, ob die Stadt von einer Einbruchswelle oder Massenkarambolagen heimgesucht würde. Kabuls Polizei hatte am Vortag aus den Händen des deutschen Botschafters 48 fabrikneue VW-Busse in den weißgrünen Farben der deutschen Polizei erhalten. Sirenen und Blaulicht am ersten Einsatztag sollten den Bürgern wohl demonstrieren, dass sie von nun an mit lautstarken Schikanen oder effektivem Schutz rechnen können.

Wie die Sirenen künftig empfunden werden, hängt vor allem von der Polizeiausbildung ab, welche die deutsche Regierung neben den Fahrzeugen und weiteren Ausrüstungsgegenständen Afghanistan zukommen lässt. Beim kürzlichen Besuch des afghanischen Regierungschefs Hamid Karsai in Berlin hatten er und Bundesinnenminister Otto Schily mehrere Abkommen über Ausbildung und Ausrüstung einer nationalen Polizeitruppe unterzeichnet.

Mit Karsai flog ein erster Voraustrupp von fünf Beamten nach Kabul, denen jetzt weitere sieben folgen. Angesichts der langfristigen Zielsetzung des Aufbaus eines Polizeikorps von vielleicht 50.000 Mann erscheint dies wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Selbst die kurzfristige Vorgabe – die Ausbildung von 3.100 Polizisten – ist eine Herausforderung. Denn seit 1979, so Karsai in Berlin, gibt es in Afghanistan keine Polizei mehr, die auf gesetzlichen Grundlagen arbeitet.

Das Straßenbild der Hauptstadt bestätigt diesen Eindruck. Es wimmelt von Uniformierten aller Altersklassen, von Kinderarbeitern bis silberbärtigen Greisen. Ihre Kleidung deckt das ganze Spektrum von Farben und Kombinationen ab, von den Sandfarben der U. S. Special Forces über olivgrüne und rostbraune Tarnjacken bis zu schweren grauen Mänteln, die aus der Zarenzeit stammen könnten.

Auf die große Zahl von Soldaten in Kabul angesprochen, behauptet Innenminister Yussuf Kanuni, dies seien alles Polizisten in geborgten Uniformen. Die einzige Ausnahme sind die Verkehrspolizisten, die früher in Operetten-Uniform und mit winziger Kelle hilflos auf den Verkehrsinseln der Kreuzungen standen. Nun bekamen sie weiße Helme, und sie scheinen die einzigen Organe des neuen Staates zu sein, die eine Art Verkehrsdisziplin durchzusetzen versuchen. Ihre Polizeikollegen dagegen lassen immer noch mit sich reden, wenn sie Fahrer darauf aufmerksam machen, dass es verboten ist, ohne Nummernschilder zu fahren.

Die Ausbildung muss daher, so die deutschen Polizei-Trainer, von vorn beginnen. Sie beschränkt sich zunächst auf die fünfzehn Polizeidistrikte der Hauptstadt und den Wiederaufbau der Polizeiakademie. Sobald deren Gebäude instandgesetzt sind – sie waren während des Bürgerkriegs zwischen 1994 und 1996 schwer beschädigt worden –, sollen dort erfahrene Beamte zu Ausbildern geformt werden. Bei diesen Kursen werden auch Polizeirekruten ausgebildet, die laut dem deutschen Botschafter Rainer Eberle „aus allen Altersklassen, aus allen Regionen und ethnischen Gruppen“ stammen. Dabei gehe es nicht nur um das Vermitteln grundlegender Kenntnisse des Gebrauchs von Waffen und Kommunikationsmitteln oder von Gesprächs- und Nachforschungstechniken. Den Männern und einigen Frauen soll auch das Profil einer modernen Polizeitruppe eingebläut werden, die sich als Freund und Helfer und nicht als Racheengel versteht.

Zunächst müssen die afghanischen Beamten erst einmal lernen, dass der Polizistenberuf mehr ist als eine Uniform und die Verfügungsgewalt über Statussymbole. Dies gilt gerade für Symbole, die so schön sind wie deutsche Polizeibusse mit Blaulicht und Sirene. Vor einigen Tagen fuhr vor einem Restaurant in der Ortschaft Charikar sechzig Kilometer nördlich von Kabul einer der acht Busse vor, die schon vor einigen Wochen ausgeliefert worden waren, um besonders „sicherheitssensible“ Polizeiposten in Kabul aufzurüsten. Der Polizeihauptmann saß selbst am Steuer. Er sei in einem wichtigen Einsatz, antwortete er auf die Frage, was denn Kabuls Polizei in Charikar wolle. Im Fond des Wagens saßen Frauen und Kinder des Beamten und schienen in bester Picknicklaune.

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