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pickpocketsBücher über das Schreiben von Büchern

Bloß nicht zu viel nachdenken

„Bücher über das Schreiben sind voller Blödsinn. Belletristikautoren, ich eingeschlossen, haben keine große Ahnung davon, was sie eigentlich tun. Sie wissen nicht, warum etwas Gutes funktioniert und etwas Schlechtes nicht.“ Das sagt Stephen King im Vorwort zu seinem Buch „Das Leben und das Schreiben“, und dank dieser selbstkritischen Prämisse ist ihm damit eins der besten mir bekannten Bücher über das Schreiben geglückt. Kings Ausführungen sind deshalb so überzeugend und nachvollziehbar, weil sie ehrlich, unprätentiös und praktisch sind. Hier spricht ein Autor aus Erfahrung, der sich selbst wesentlich als Handwerker begreift. Der erste Teil des Buchs besteht aus einem Lebenslauf, in dem King mit schlagendem Witz die Schlüsselerlebnisse benennt, die ihn zum Schreiben trieben und immer noch schreiben lassen; der zweite Teil liefert Handreichungen fürs Schreiben, die man als Autor oder solcher, der es werden möchte, akzeptieren kann oder auch nicht. King, der ja ein Routinier von Suspense und eingefädelten Plots ist, empfiehlt überraschenderweise, nicht zu viel über den Plot nachzudenken, der entwickele sich mehr oder weniger von selbst, sondern aus einer Grundkonstellation heraus sich der Atmosphäre eines entstehenden Textes auszuliefern.

Auf dieser produktionsästhetischen Ebene erweist sich King als ein Bruder im Geiste Sten Nadolnys. Dessen Poetik-Vorlesungen „Das Erzählen und die guten Ideen“, ebenfalls an der Schreibpraxis des Autors entwickelt, kristallisieren sich nämlich um die Erfahrung, dass Erzählen „ein Aufheben von Kompliziertheit“ sei: „Was vorher verzweifeln ließ und am Verstand zehrte, geht nun in eine Geschichte ein und bereichert, statt zu stören.“ Störend sind vielmehr die so genannten guten Ideen und Absichten, die Nuancen, Details und Atmosphäre eines Textes vernichten, weil der Text sich damit einem Abstraktum unterordnen muss und nicht zur sinnlichen Konkretheit des Erzählten findet.

Wolfgang Bittners Buch „Beruf: Schriftsteller“ scheint verfasst worden zu sein, um Stephen Kings Bemerkung zu belegen, Bücher übers Schreiben seien voller Blödsinn. Über die Probleme des Schreibprozesses sondert der Autor nur Plattitüden ab, seine als praktische Hinweise gemeinten Ausführungen zum literarischen Markt sind rettungslos antiquiert und unvollständig. So dringend ich den Leuten, denen ich kreatives Schreiben näher zu bringen versuche (beibringen kann man das ja niemandem), Kings und Nadolnys Bücher empfehle, so dringend rate ich von Bittners Ahnungslosigkeiten ab – vielleicht ist es kein Zufall, dass sich Bundeskanzler Schröder, welchem Freundschaftsdienst auch immer verpflichtet, zu einem salbungsvollen Klappentext hinreißen ließ.

Dass sich auch mittels literaturtheoretischer Überlegungen wunderbar erzählen lässt, beweist Gilbert Adair mit seinem Roman „Der Tod des Autors“. Es geht um einen Literaturprofessor, den seine nazifreundliche Vergangenheit einholt, die er seinerzeit schriftlich manifest gemacht hat. Kurzerhand erfindet der Professor eine Literaturtheorie, die besagt, dass Literatur außerhalb ihrer selbst keine Geschichte kenne, dass Literatur quasi aus sich selbst entstehe, weshalb auch niemand für seine schriftlichen Manifeste verantwortlich gemacht werden könne.

Wer schreiben will, muss lesen – sonst entdeckt er womöglich den Nordpol zum zweiten Mal. Ein ebenso begnadeter wie passionierter Leser war Robert Walser. Seine skurril-verschrobenen Essays zur Literatur unter dem charmanten Titel „Dichteten diese Dichter richtig?“ wenden sich, darin King und Nadolny nicht ganz unähnlich, auch stets gegen die guten Absichten: „Ich finde, eine schöne Seele zu sein, sei für einen Buchmacher wichtiger, als möglichst häufig Recht zu haben.“ KLAUS MODICK

Robert Walser: „Dichteten diese Dichter richtig?“. insel tb, 382 Seiten, 12 €ĽStephen King: „Das Leben und Schreiben“. Heyne TB, 331 Seiten, 8,95 €ĽSten Nadolny: „Das Erzählen und die guten Ideen“. Serie Piper, 230 Seiten, 9,90 €ĽWolfgang Bittner: „Beruf: Schriftsteller“. rororo, 160 Seiten, 7,90 €ĽGilbert Adair: „Der Tod des Autors“. rororo, 156 Seiten, 7,90 €

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