piwik no script img

HAUSHALTSEXPERTE METZGER WURDE GRÜNEN PRINZIPIEN GEOPFERTWer issen die Biggi?

Jetzt, da nach Oswald Metzgers Abwahl nicht wenige bei den Grünen feixen: „Wer war der Oswald eigentlich?“, müssen andere Fragen erlaubt sein: „Wer issen die Biggi, du? Was macht denn die Kerstin so?“ Und die wichtigste: Was hat das mit Demokratie zu tun, was die Badener und Württemberger Graswurzel-Formalisten veranstaltet haben?

Zur Erinnerung: Bei ihrer Kandidatenkür haben die Südwestgrünen gerade den profiliertesten Haushaltspolitiker des Bundestages über die Klinge springen lassen. Weil er nur gegen Männer antreten durfte. So will es der Quotierungbeschluss, der jeden ersten, dritten, fünften etc. Listenplatz einer Frau vorbehält. Dafür schicken die Grünen nun, wie es so schön heißt, zwei Talente aus der Begabungsreserve ins hohe Haus – zum Üben.

Nichts gegen Biggi Bender, die sich im Reichstag gewiss um plurale Lebensformen Verdienste erwerben wird. Gespannt sind wir auch auf Kerstin Andreae, die laut Kreisverband „in besonders glaubhafter Weise die Verbindung von notwendigem Pragmatismus mit der Aufrechterhaltung der grünen Werte und Visionen verkörpert“ [sic!].

Aber der Kompetenzvergleich mit Metzger, den man als Person ja nicht mögen muss, muss schon erlaubt sein: Der Oswald kann was – auch wenn er ein Mann ist. Er ist ja nicht nur so publikumswirksam, dass ihn – selten genug bei Oköpaxen – auch Nichtgrüne kennen und achten. Er steht mit seinem Thema für nichts weniger als das Markenzeichen von Rot-Grün: die „nachhaltige Finanzpolitik“. Metzger hat obendrein, was überregulierten Versammlungen deutscher Menschen generell gut tut: Er ist ein Quertreiber und witzig dazu. Schade.

Schade vor allem, weil Metzger einem abstrakten Prinzip geopfert wurde – der Quote. Nicht, dass die falsch wäre. Die Quote ist inhaltlich wie personell offenbar ein unverzichtbares Mittel der Politik. Aber, bitte schön, nicht mit zusammengebissenen Zähnen, nicht um des Prinzips willen. Was hätte es die Grünen denn gekostet, in einem für sie vielleicht überlebenswichtigen Fall die Ausnahme der ehernen Regel zuzulassen? Metzger wäre doch nicht durchgedrückt worden, er hätte nur in einer demokratischen Wahl antreten dürfen – gegen die Biggi, die Kerstin oder wen auch immer.

Nein, das war nicht möglich. Schlimmer, niemand durfte auch nur darüber sprechen, wie man dem Reißverschluss zum Wohle der Partei und zur Anerkennung einer Person doch einmal ein Schnippchen schlagen könnte. Regeln, selbst wenn hinter ihnen eine hehre idealdemokratische Idee steht, werden undemokratisch, sobald frau sie zum Tabu erklärt. CHRISTIAN FÜLLER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen