■ Urdrüs wahre Kolumne: Zwangsjacke im Trockenen
Entzauberung pur betreibt jetzt ein Bremer Hersteller von Cornflakes mit seiner neuen Packungsbeilage, die verheißungsvoll als „Tauchfigur für Unterwasseraben-teuer“ angeboten wird. Die Tauchfigur – in diesem Fall ein weißer Plastikhai, den man mit Backpulver auf Jagd schicken soll. MIT BACKPULVER! In guten alten YPS-Heft-Zeiten hieß so was noch „Geheimtreibsatz für deine U-Boot-Expedition“ und wurde in separaten Tütchen mitgeliefert, so etwa wie das Spezial-Futter für die Urzeitkrebse, die erst in der letzten Woche wieder mal als Micky Maus-Gimmick beigelegt waren. Was soll so was? Wie kann man nur die große Welt der Wunder so klein und kleinlich machen? Frühstückscerealien jedenfalls kommen mir unter solch desillusionierenden Umständen nicht mehr ins Haus!
Mit Erpressung, Hinterlist und struktureller Gewalt wurde jetzt die „Bereinigung“ des Waller Fleets in die Zwangsjacken gebracht, die von Politikern immer gern als „trockene Tücher“ bezeichnet werden. Als kleiner barfüßiger Prophet und Gartenzwerg aber versichere ich dem moderierenden Zwingherrn Peter Kudella und den Heimatvertreibern aus Planungsamt und Wirtschaftsförderung, dass die Sache mit dem vermeintlichen Stichtags-Kompromiss noch nicht ausgestanden ist: Der Maulwurf wühlt halt immer im Detail und vor allem im Untergrund. Und auch Klappspaten, Unkraut-Ex und Sensenbaum sind brauchbare Argumente gegen den Baggerzahn!
Wie schnell und unmittelbar sich Sünden gegen hanseatische Bratwurstkultur rächen, belegt wohl die Tatsache, dass das Weserstadion nun doch nicht Austragungsort für die Welt-meisterschaften wird und damit selbst den offiziellen Freibiergesichtern dieser Stadt die Chance verwehrt wird, die Edelkicker dieses Universums live bei Scampispieß vom Grill samt Intabrüh in Aktion zu sehen. Ist es denn ein Wunder, wenn man als Globalisierungsvolltrottel ehrbare Bremer Unternehmen wie Stockinger, Iburgs Wurstpavillon und Kiefert ins Frittüren-Abseits stellt und das Stadion und seine Stammbesucher zur Catering-Beute von Mc Donald's werden lässt? Da nun liegt kein Segen drauf, was zu beweisen war und nunmehr auch worden ist! Und dass die CDU sich für dieses Verbrechen am kulinarischen Lokalpatriotismus so stark macht, kann man wohl nur verstehen, wenn man weiß, dass der Union zugesagt wurde, ihre personellen Altlasten als Darsteller des Bratklops-Faxenmachers Ronald McDonald entsorgen zu können – diese schleimige Kreatur, die in schlechtester US-Clownsmanier die so genannten Kindergeburtstage bewirbt, mit denen verantwortungs- und phantasielose Elterntiere ihre Kurzen im etwas anderen Restaurant abfertigen lassen.
Apropos Fußlümmelei: Der Gedanke an eine „Hall of Fame“ mag ja auf Vereinsebene Sinn machen: Wer würde nicht gern mal an den schweißgetränkten Tretern schnuppern, die Eisenfuß Höttges einst bevölkerte oder sich mal aus der Haarspraydose bedienen, mit der sich weiland Tante Käthe sturmfit machte? Die alte Haarschneidemaschine aus der Beckenbauer-Werbung aber oder die gebrauchten Lümmeltüten von Otmar Hitzfeld – sie gingen doch dem wahren Fußballfreund norddeutscher Prägung völlig an der Gesäßfurche vorbei: Fan-sein braucht Heimat oder wie der Marketin-Fachmann sagt: „All dreams are local!“ Wieder mal so 'ne strunzblöde SpacePark-Idee à la Weltraum-Unterhose von Ulf Merboldt... Ulrich „Likedeeler“ Reineking
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