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Die „Kampfzeit“ beginnt

Noch ein Jahr bis zum Ökumenischen Kirchentag in Berlin. Die Vorbereitung wirft allein logistisch so viele Fragen auf, dass man sich von dogmatischen Rückschlägen aus Rom nicht aufhalten lässt

von PHILIPP GESSLER

Die Lage mag „fantastisch“ sein, wie der katholische Vereinsvorsitzende des geplanten Ökumenischen Kirchentages, Wolfgang Klose, jubelt: Ohne genauen Plan jedoch ist die Geschäftsstelle des christlichen Events, in einer Seitenstraße des Alexanderplatzes gelegen, nicht zu finden. Auch das schlichte Messingschild des Büros und erst recht nicht der öde DDR-Bau verrät, dass hier für den 28. Mai bis 1. Juni kommenden Jahres Großes geplant wird: ein Treffen von mindestens 100.000 Christinnen und Christen vor allem der großen Konfessionen zum ersten Ökumenischen Kirchentag weltweit.

Das ist kirchengeschichtlich kaum zu überschätzen. Erstmals treffen sich im Lande der Reformation die Laien, also die Nichtpriester der christlichen Kirchen, zu einer gemeinsamen großen Manifestation ihres Glaubens – und nicht nur in Rom heben sich schon im Vorfeld die Augenbrauen glaubensstrenger Kardinäle: Was machen die da? Wird da etwa die Reinheit der Lehre verletzt? Wollen die gar gemeinsam das Abendmahl feiern? Setzt sich die Basis in christlicher Begeisterung einfach über die dogmatischen Bedenken der Kirchenhierarchie hinweg?

Natürlich war allen Beteiligten bei der Eröffnung der Geschäftsstelle des Kirchentages am Donnerstagabend die Brisanz ihres Vorhabens bewusst. Umso mehr wurde die gute Zusammenarbeit bei der bisherigen Planung betont – fast einer Jetzt-erst-recht-Stimmung folgend. Hatte doch gerade das viel diskutierte Papier „Dominus Iesus“ des obersten katholischen Glaubenshüters, Joseph Ratzingers, im September 2000 der Ökumene einen rechten Dämpfer verpasst. Der erzkonservative Kardinal hatte den protestantischen Kirchen darin mal kurz ihr Kirche-Sein abgesprochen.

Bei den Veranstaltern des Kirchentages im „Zentralkomitee der deutschen Katholiken“ (ZdK) und beim „Deutschen Evangelischen Kirchentag“ (DEKT) löste der vatikanische Brandbrief gelindes Entsetzen aus – aber man besann sich recht schnell: ZdK-Präsident Hans Joachim Meyer, erklärte, der DEKT bleibe der Partner zur Planung des Kirchentages. Was dazu Rom denkt, so durfte man getrost ergänzen, interessiert uns Laien nicht besonders. Dennoch trübte Ratzingers Papier die Stimmung der Ökumene, wie Anne Gidion, Vorstandsmitglied des Präsidiums des Ökumenischen Kirchentages, einräumte. Doch darüber sei man jetzt hinweg, gerade unter den Organisatoren.

Das ist auch nötig, denn das voraussichtlich größte Christentreffen in der deutschen Geschichte wirft allein logistisch so viele Fragen auf, dass man sich von dogmatischen Rückschlägen aus der Ewigen Stadt nicht aufhalten lassen darf: Über 100.000, wenn nicht 140.000 Menschen werden in der Hauptstadt erwartet. Die Kosten werden auf etwa 17 Millionen Euro taxiert, wie Tilman Henke, Organisationsleiter des Kirchentages, erklärte. Hunderte von Diskussionen, Feiern und Gottesdiensten müssen organisiert werden. Allein 40.000 ehrenamtliche Helfer will man gewinnen. Die Kirchentagsbesucher sollen zu einem großen Teil in Schulhallen und in Gemeinderäumen unterkommen – Schlafsäcke und Isomatten dienen als Lager in oft nur kurzen Nächten. Zudem wollen die Organisatoren Berliner Familien ansprechen, insgesamt 20.000 Gäste privat unterzubringen. Kostenlos, versteht sich.

Das alles planen sollen am Alexanderplatz derzeit knapp 30, in der heißen Phase dann mindestens 70 Mitarbeiter der Geschäftsstelle. „Kampfzeit“ nennt Klose schon jetzt diese heißen Wochen im Frühjahr kommenden Jahres. Das passt gerade in diesem siebenstöckigen Gebäude: Noch vor 13 Jahren plante die NVA hier die Verteidigung gegen den Klassenfeind.

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