piwik no script img

PDS-Schnapsidee mit Nebenwirkungen

BERLIN taz ■ Es ist die hohe Kunst der mediengesteuerten Politik, eine Idee öffentlich zu lancieren, die keiner für realistisch hält – die aber trotzdem im Gespräch bleibt und am Ende von dem einen oder anderen sogar geglaubt wird. Die PDS hat auch auf diesem Feld dazugelernt. Seit zwei Wochen wird landauf, landab geschrieben, die PDS in Sachsen-Anhalt beanspruche in einer rot-roten Koalition das Amt des Ministerpräsidenten, wenn sie bei der Wahl vor der SPD lande. Und es heißt, Roland Claus, der Chef der PDS-Bundestagsfraktion, sei bereit, den Job zu übernehmen.

An dieser Meldung stimmt nichts – außer dass Claus Fraktionschef ist. Trotzdem ist sie bis heute Gegenstand der politischen Debatte, und das nicht nur in Sachsen-Anhalt. Selbst der Kanzler fühlte sich bemüßigt zu sagen, dass das mit dem PDS-Ministerpräsidenten doch nur Gerede sei. Immerhin. Das Kalkül der Genossen Sozialisten ist voll aufgegangen.

Die PDS in Sachsen-Anhalt will nichts lieber als endlich mitregieren, und sie weiß, dass das nur mit einer SPD geht, die stärker ist als die PDS. Dafür hat sie Reinhard Höppner, den Ministerpräsidenten, im Wahlkampf sogar geschont. Doch als vor zwei Wochen in einigen Umfragen die Sozialisten plötzlich vor den Sozialdemokraten lagen, wollte die PDS Selbstbewusstsein demonstrieren. Roland Claus, einer der Erfinder des Magdeburger Tolerierungsmodells, deutete in einem Hintergrundgespräch an, die PDS könne sich vorstellen, in einer rot-roten Koalition den Ministerpräsidenten zu stellen. Der Spiegel machte mit dem Einverständnis von Claus eine kleine Geschichte daraus – schon war die Schnapsidee in der Welt.

Seither lässt sich der Fraktionschef gern dazu befragen. Als Erstes legt er dann immer Wert auf die Feststellung, dass er sich nicht selbst für den Posten des Ministerpräsidenten ins Spiel gebracht habe, sondern ein bekanntes Nachrichtenmagazin aus Hamburg. Den Rest seiner Ausführungen windet er sich um eine klare Antwort herum. Am Schluss lässt er noch die süffisante Bemerkung fallen, dass es in einer Demokratie selbstverständlich kein Verbot gebe, die Sozialdemokraten links zu überholen. Aber warum hat die PDS dann nicht von Anfang an ihre Spitzenfrau Petra Sitte als Ministerpräsidenten-Kandidatin ins Rennen geschickt? Weil sie fürchtete, die SPD und Höppner damit zu provozieren.

Roland Claus wird nicht der nächste Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt werden. Er selbst will es auch gar nicht. Dafür empfindet der Nachfolger von Gregor Gysi als Fraktionschef im Bundestag seinen jetzigen Posten in Berlin als viel zu einflussreich. Außerdem veranschlagt die PDS-Spitze die Wahrscheinlichkeit einer rot-roten Regierung unter ihrer Führung bei „unter 1 Prozent“.

In gewisser Weise fürchtet die PDS diesen Fall sogar. Akzeptierte der Kanzler eine solche Koalition in Magdeburg, wäre das gleichbedeutend mit dem Auftakt zu einem knallharten Lagerwahlkampf der SPD in Berlin. Dann würde Schröder im Kampf gegen Stoiber die PDS jedoch als stille Kampfreserve und Teil des „linken Lagers“ ansehen. Auf diese Rolle ist die PDS jedoch weder vorbereitet noch wünscht sie sich diese zum jetzigen Zeitpunkt.

Aber natürlich wusste die PDS-Führung von vornherein, dass Schröder genau das nicht tun wird. Die ablehnende Haltung der SPD war also geradezu eine Grundvoraussetzung für den Vorstoß von Roland Claus. Die Genossen konnten, ohne irgendeinen Preis dafür zahlen zu müssen, ihre Stärke demonstrieren. Und so ganz nebenbei haben sie die Öffentlichkeit daran gewöhnt, dass es in Ostdeutschland irgendwann den ersten PDS-Ministerpräsidenten geben wird. In zwei Jahren wird in Sachsen und Thüringen gewählt. Erst dann will die PDS aufs Ganze gehen. JENS KÖNIG

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen