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Alchemie für Anfänger

Gerne darf uns das ZDF mit Dokumentationen über das faszinierende Edelmetall verwöhnen. Gerne lassen wir uns auch von einem Professor auf abenteuerliche Exkursionen mitnehmen. Nur seriös sollte das Unterfangen sein („Goldfieber“, 19.30, ZDF)

von DIETMAR BARTZ

Am Sonntagabend ist es wieder so weit: Das ZDF bringt die dritte Folge seines Vierteilers „Goldfieber“. Diesmal geht es nach Kirgistan. Hierher kam das Gold der Skythen, eines zentralasiatischen Reitervolkes, die das Edelmetall vor zweieinhalbtausend Jahren zu wunderbarem Tierschmuck, Ornamenten und Ketten verarbeitete. Wie das Gold genau zu den Skythen kam, ist bislang nicht bekannt – und das ändert sich auch durch diesen denkwürdigen TV-Beitrag nicht.

Jedenfalls nicht durch die hier präsentierten Forschungsergebnisse zweier deutscher Wissenschaftler. Am Anfang rollt eine schwarze Limousine durch Ostdeutschland, der ein Mann mit Koffer entsteigt: „Kurier aus Kiew“, sagt die Stimme aus dem Off. Ein schöner dramaturgischer Einfall von Filmemacher Ingo Helm – nur hat der Wagen eine Moskauer Zulassung. So beginnt der Film wenigstens lustig. Der Bote überbringt den beiden Forschern winzige Goldproben, die in einem Labor verdampft werden. Aus den Wellenlängen des Spektrums lässt sich ein „chemischer Fingerabdruck“ des Goldes entwickeln. Finden sich nun Goldreste aus einem alten Bergwerk, die das gleiche Spekrum aufweisen, ist die Rekonstruktion der skythischen Handelsbeziehungen ein gutes Stück vorangekommen.

So weit die Idee, mit der sich die beiden Metallurgen nun auf den Weg ins goldreiche Kirgistan machen. Nicht aber etwa zu einer flächendeckenden Erfassung aller bekannten Bergwerke, wie zu vermuten wäre. Nein, die beiden hangeln sich mit „Tipps“ von Einheimischen so durch und verlieren ihr Ziel völlig aus den Augen. Ein Goldminenarbeiter bringt sie zu einem skythischen Heiligtum, aber nicht zu einer Mine. Der nächste Hinweis führt zu einem Gräberfeld, aber wie nicht anders zu erwarten, finden sie wieder keinen Bergbau. Dann besuchen sie eine Gold verarbeitende Fabrik, was auch nicht zur Aufhellung der Schmuckherkunft beitragen kann. Der Bau wird uns dabei als „Fort Knox von Kirgistan“ verkauft – wobei das echte Fort Knox aber ein Goldlager ist.

Zuletzt fahren sie in ein beliebig ausgesuchtes Tal mit seit alters betriebenem Bergwerk und entnehmen dort Proben, die sie zu Hause verdampfen wollen. Ernsthafter Kommentar aus dem Off: „Die bisherigen Funde lassen einen fantastischen Schluss zu: Überall dort, wo heute Gold abgebaut wird, waren schon im Altertum Goldgräber am Werk.“ Einer der Professoren, offenbar mit der Vorbereitung von Forschungsreisen nicht vertraut, zeigt sich überrascht vom Ausmaß des kirgisischen Bergbaus. Nun ändert er die Fragestellung: Nicht woher das Gold eines Schmuckstücks gekommen sei, müsse erforscht werden – sondern wie es sich verbreitet hat. Hätte er vorher wissen können.

Zurück in Halle, wird die Probe verdampft. Nur vom Ergebnis erfahren wir nichts. Wohl um den Beitrag zu retten, flüchten sich die letzten Worte des Filmemachers in Banalität und Konjunktiv: „Schon die ersten Ergebnisse zeigen, dass sich die Vermutungen des Professors bewahrheiten könnten: Kirgisische Lagerstätten waren wahrscheinlich eine Hauptquelle skythischen Goldes.“ Und die Fingerabdrücke der beiden Goldproben „stimmen vermutlich überein“.

Folge 4, kommenden Sonntag im Programm, verfolgt wieder einen Professor auf Forschungsreise – diesmal einen Volkskundler, der nach Spuren deutscher Goldgräber beim Klondike-Goldrausch ab 1897 sucht. Hier lässt Andreas Orth die Grenzen zwischen Faction und Fiction entgültig verschwimmen. Bei einem alten Goldgräber findet er eine goldene Uhr, die angeblich eine deutsche Inschrift trägt. Er zeigt die Uhr, aber nicht die Inschrift. Zu säuberlich steht eine Bremer Bierflasche aus der Kaiserzeit bereit, auf dem Fensterbrett einer verfallenen Hütte mitten in der Wildnis vom Professor gefunden zu werden. Die Hälfte des Filmes suggeriert, wie mühsam die Suche nach den Deutschen am Yukon sei – aber dann liest der Ethnologe aus den Computertabellen der Erhebung „The Germans in Alaska“ vor.

Die Erkenntnisse, die er auf seiner Forschungsfahrt gewinnt, bleiben uns vorenthalten. Das ist vielleicht auch besser so. Denn zuletzt zeigt der Volkskundler das Foto einer Bäckerei in Dawson City und kommentiert ihr Aushängeschild: „Hier kann man es schön lesen: German Bakery“. Nur steht klar und deutlich auf dem Schild: The Gem Bakery. Und „gem“ heißt bei den Amerikanern: Brötchen.

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