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Frühbader nach Huchting

■ Heute schließt das Schwimmbad in der Neustadt für den Umbau bis Ende 2003. Einige Stammbader haben sich schon in anderen Schwimmhallen Bahnen gesichert

Heute Morgen um sechs stehen sie zum letzten Mal vor dem Schwimmbad in der Neustadt: Knapp vierzig eingefleischte „Frühschwimmer“, zwischen 45 und 82 Jahren. Denn ab morgen ist hier alles dicht für den großen Umbau zum Spaßbad. Anderthalb Jahre sind veranschlagt.

„Einige kommen seit 30 Jahren her, jeden Tag“, sagt Jochen Ralle, Chef-Bademeister im Schwimmbad Süd. Wenn er um sechs zur Arbeit kommt, warten sie schon. „Wenn wir um halb sieben aufmachen, will jeder der erste im Bad sein“, erzählt Ralle. Er kennt seine Stammgäste gut. „Morgens sage ich ihnen blind, wer auf welcher Bahn schwimmt.“ In der Umbauzeit wird er sie vermissen. „Aber einige haben mir schon berichtet, dass sie sich in Huchting eine Bahn gesichert haben“, sagt Ralle. Ein anderer Ausweichort, ähnlich weit weg: Walle. Immerhin noch bis Mitte Mai dürfen Vereine und Schulklassen das Schwimmbad Süd nutzen. Dann ist Freibadsaison.

Jochen Ralle wird nicht arbeitslos werden. Fing sein Arbeitstag bisher mit der täglichen Wasserkontrolle an – „Bevor ich nicht weiß, wie viel Chlor im Wasser ist, lasse ich niemanden rein!“ – warten bald andere Sorgen auf den Herrscher über Wasserpumpen und Badeschlappen. Zum Beispiel, dass beim Fliesenlegen in den Duschräumen nichts schief geht: „Wenn das im Akkord passiert, läuft das Wasser hinterher nicht ab, sondern bleibt in einer Ecke stehen“, befürchtet er.

Dennoch: Der Schwimmmeister freut sich auf das neue Bad. „Nichts bleibt, wie es ist“, sagt er. Schon bei den Umkleidekabinen geht es los: Statt des „sturen Spindgangs“ will Jochen Ralle eine aufgelockerte Anordnung: „Sternförmig, oder im Sechseck.“ Mehr Familienkabinen sollen Einzug halten. „Das bedeutet dann weniger Trennung zwischen Männlein und Weiblein.“

Und drinnen? Ein Anbau mit zwei neuen Schwimmbecken kommt dazu. Auch die alte Schwimmhalle wird der Architekt umkrempeln: Weniger Abtrennungen, weniger Glas, mehr Pflanzen. Wenn die Wasserfans die Halle betreten, sollen sie den ganzen Raum überblicken können. Und damit man sich sonntagsnachmittags nicht mehr zwischen Glotze oder Planschen entscheiden muss, kann man demnächst die Formel Eins vom Wasser aus verfolgen: auf zwei Video-Wänden. Für die Jugendlichen gibt es auch mal MTV, versichert der Bademeister.

Der Architekt habe viele Wünsche der Badegäste aufgenommen, sagt Ralle. „Das wird bestimmt kein Bad von der Stange.“ Alles auf einmal läßt sich allerdings nicht verwirklichen: Für die geplante 80 Meter lange Rutsche fehlen noch mindestens 300.000 Euro. Genauso, wie das Geld für die Blockhaussauna auf dem Schwimmbaddach noch auf sich warten lässt.

Was für die Badegäste unsichtbar bleibt, wird Jochen Ralle und seinen Kollegen erheblich die Arbeit erleichtern: Die über 30 Jahre alte Technik wird fast komplett ausgetauscht. Im Keller unter den Schwimmbecken rauschen und dröhnen noch die alten orangenen Wasser-Filter. Demnächst steht hier eine vollautomatische Anlage, die sich alleine regeln kann, ohne dass die Bademeister an Rädern und Hebeln schwitzen müssen.

Auch andere museumsreife Stücke werden verschwinden: Ein riesiger Warmwasser-Tank, der 30.000 Liter für die Wannen- und Duschenabteilung bereit hielt – und aussieht wie ein U-Boot aus dem zweiten Weltkrieg. Auch die Wannenabteilung ist ein Relikt aus der Zeit, als es in der Neustadt noch viele Wohnungen ohne Badezimmer gab. Seit mindestens 15 Jahren hat dort allerdings niemand mehr geplanscht.

Wenn Jochen Ralle am 18. Mai die Stöpsel aus den Becken zieht, und zwei Tage lang 1.000 Kubikmeter Wasser davon rauschen, hat auch das letzte Stündlein für die Badewannen geschlagen. Ulrike Bendrat

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