h.g. hollein Verdrängung

Die Frau, mit der ich lebe, drängt mich. Meistens aus dem Bett. Der Vorwände findet die Gefährtin allemal genug. „Tu was, es wird Tag“, gehört dabei noch zu den einleuchtender begründeten Appellen. Den Platzverweis mit der Begründung, kaum läge ich da, sei auch schon alles voll, finde ich hingegen einen wüsten Auswuchs einer klassischen kausalen Fehlwahrnehmung. Voll ist es in der Tat. Nur nicht mit mir. Vielmehr verteilen sich in Armeslänge um die Gefährtin zwei bis drei Zigarettenschachteln, die Keksdose, Schlafmaske, zwei Tages- sowie die aktuelle Fernsehzeitung, ein Handapparat mit diversen schöngeistigen bis erbaulichen Werken und – inmitten all dessen schon schwerer zu finden – die Fernbedienungen. So wundert es mich denn nicht wirklich, wenn mir nach Absetzen des Frühstückstabletts beschieden wird, dass für den Domestiken an der Seite seiner Herrin nun offensichtlich kein Platz mehr ist. Ein wenig zu weit geht mir allerdings die beiläufige Art, in der mir die Gefährtin neben dem Fußende des Bettes eine blaue Wolldecke zurechtgefaltet hat. Als gelernter Zeichentheoretiker vermag ich den Aufforderungscharakter dieses Arrangements sehr wohl zu deuten. Angesichts solcher energisch betriebenen Ausgrenzungsbestrebungen habe ich bisweilen den Verdacht, die Gefährtin sei in einem früheren Leben womöglich ein Kuckuck gewesen und sähe in mir den konkurrierenden Brütling, den es in blindem Instinkt aus dem Nest zu drängen gelte. Das wahrhaft Ungerechte an all dem ist, dass die Gefährtin ob ihrer geringen Körpergröße sehr wohl auch quer im Bett liegen könnte. Einen diesbezüglichen Vorschlag habe ich aber nur einmal gemacht. So warte ich denn Nacht für Nacht, bis der Schlummer den raumgreifenden Aktivitäten der Gefährtin ein Ende macht, um mich in eine überaus prekäre Ruhelage zu schmuggeln. Denn egal, wo ich liege, die Seite der Gefährtin ist überall.