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„Bock als Gärtner“

AK Asyl warnt: Schill soll angeblich die Zuständigkeit für die Erstaufnahme und Beratung von Flüchtlingen bekommen. Sozialbehörde dementiert

Eine „schnellere Klärung“ der Asylgesuche wird auch schnellere Abschiebungen bedeuten

Von HEIKE DIERBACH

„Der Bock wird zum Gärtner gemacht“, kritisiert der Hamburger Arbeitskreis (AK) Asyl – und präsentiert Informationen, wonach Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) plant, die Verantwortung für die Erstunterbringung und Beratung von Flüchtlingen an die Innenbehörde abzugeben. Angeblich soll auf der morgigen Klausurtagung des Senates darüber entschieden werden. Die Sozialbehörde dementiert: „Da ist noch gar nichts spruchreif“, so Sprecherin Annika Wichert. Ausgeschlossen sei die Ressortverschiebung aber auch nicht.

Sicher ist, dass sich etwas verändern wird im Zuge des neuen Integrationskonzeptes, das die Sozialbehörde derzeit erarbeitet. Erklärtes Ziel ist, den Status der Flüchtlinge schneller zu klären – „damit die Menschen nicht jahrelang hier in den Pavillondörfern leben müssen, ohne zu wissen, was kommt“, sagt Wichert. Für einen Teil der Flüchtlinge – voraussichtlich den kleineren – wird das Verbesserungen bringen: Sie sollen beispielsweise schneller in reguläre Wohnungen umziehen. Für den anderen Teil bedeutet die schnellere Klärung vor allem: Schnellere Ausweisung oder gar Abschiebung. Der AK Asyl kritisiert: „Die Verbesserungen werden auf dem Rücken der Mehrheit erkauft.“

Massive Nachteile für die Mehrzahl der Flüchtlinge befürchtet der AK Asyl auch für den Fall, dass Innensenator Ronald Schill die Zuständigkeit für die Beratung erhält: „Denn es liegt nicht im Interesse der Innenbehörde, Flüchtlingen eine sorgfältige Rechtsberatung zukommen zu lassen“ – könnte diese die Betroffenen doch in die Lage versetzen, sich gegen falsche Entscheidungen der Ausländerbehörde zu wehren. Für die Sozialbehörde wäre es aber grundsätzlich nicht undenkbar, Schill die Beratung zu übergeben: „Unser Ziel ist es, die Arbeitsabläufe zu optimieren“, sagt Wichert, „da gibt es Überlegungen in sämtliche Richtungen“.

Das gilt auch für die Frage, wie die Erstaufnahme der Flüchtlinge zukünftig aussehen soll. Die Wohnschiffe in Neumühlen möchte Schnieber-Jastram aufgeben, der Chartervertrag läuft Mitte kommenden Jahres aus. Nach Informationen des AK Asyl soll die Erstaufnahme dann in zwei kleineren Schiffe untergebracht werden, „irgendwo im Hamburger Hafengebiet, weit ab vom Schuss“. Auch dies dementiert die Behörde als „noch nicht spruchreif“.

Die Wohnschiffe in Neumühlen sind seit Jahren ständig drastisch überbelegt: Auf den 1200 vorgesehenen Plätzen quetschen sich 2000 Männer, Frauen und Kinder. Grund ist, dass es nicht genügend Plätze in Folgeunterkünften wie Pavillondörfern gibt. Der Bau neuer Unterkünfte scheiterte in den vergangenen Jahren immer wieder am Protest von Anwohnern – und an der Stimmungsmache der CDU-Fraktionen in den Bezirken, zum Teil auch von Sozialdemokraten.

So beschloss die Bezirksversammlung Harburg erst im November 2001 mit den Stimmen von CDU, SPD und Schill-Partei, „darauf hinzuwirken, dass weitere Unterbringungsmöglichkeiten für Zuwanderer nicht mehr bereitgestellt werden“.

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