: Späth als Superminister in spe
Ost-West-Kompetenz für Kanzlerkandidat Edmund Stoibers „Kompetenzteam“: Im Rentenalter soll der ehemalige Ministerpräsident und Noch-Jenoptik-Chef Lothar Späth als Wirtschafts- und Arbeitsminister in die Politik zurückkehren
aus Berlin ULRIKE HERRMANN
Seit gestern hat Deutschland nicht nur drei Kanzlerkandidaten, sondern auch einen ersten „Ministerkandidaten“: Lothar Späth. K-Kandidat Edmund Stoiber (CSU) hat ihn für ein „Schlüsselressort“ vorgesehen, das es bisher so nicht gibt. In der Werbesprache Stoibers heißt es „für Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätze und Aufbau Ost“.
Noch vor knapp zwei Jahren hatte Späth öffentlich bekundet, dass er kein politisches Amt mehr anstrebe. Schließlich war er lange genug im Geschäft: Von 1978 bis 1991 amtierte er als Ministerpräsident in Baden-Württemberg – bis er zurücktreten musste, weil ihm vorgeworfen wurde, dass er sich von Unternehmen Luxusreisen spendieren ließ. Also wechselte er als Vorstandsvorsitzender zur Jenoptik und hat aus dem maroden Carl-Zeiss-Kombinat ein profitables Exportunternehmen gemacht, das selbst die letzte Wirtschaftskrise gut überstanden hat. Da wirken die 3 Milliarden Euro gut angelegt, die das Exkombinat an Subventionen verschlungen hat.
„Ich wollte wirklich nicht mehr in die Politik“, betonte der 64-Jährige auch gestern wieder. Aber „intensive Gespräche seit Januar“ hätten ihn überzeugt. Und es ist verständlich, dass Stoiber nicht lockerließ. Scheint doch Späth alle Merkmale zu verkörpern, die ein „überragendes Kompetenzangebot für Deutschland“ braucht: Späth ist ausgewiesener Manager – und besitzt gleichzeitig genau jene politische Erfahrung, die Bundeskanzler Gerhard Schröders (SPD) Quereinsteigern im Kabinett stets gefehlt hat. So stieg der Unternehmer Jost Stollmann 1998 schon vor Regierungsantritt wieder aus, und Ersatzmann Werner Müller überzeugt bis heute nicht als Wirtschaftsminister: Er wirkt immer noch wie ein farbloser Lobbyist der Energiewirtschaft. Genauso wichtig: Späth ist „im Osten der personifizierte Aufschwung“, wie Stoiber begeistert formulierte. Den neuen Ländern hatte die Union bisher wenig zu bieten, seitdem Angela Merkel den K-Kampf verloren hat.
Zudem ist Späth vielfacher Autor von wirtschaftspolitischer Ratgeberliteratur. Er müsste es also wissen. Und weiß es vielleicht zu gut: Er blieb gestern unerwartet vage, als es erste Maßnahmen vorzustellen galt. Zwar lehnt er eine zusätzliche Verschuldung ab, aber ansonsten zitierte er lieber Ludwig Erhard: „Die Hälfte der Wirtschaftspolitik ist Psychologie.“
Immerhin gab er preis, dass er die mittelstandsfeindliche Bürokratie entrümpeln wolle: „Das kostet nichts und schafft gute Stimmung.“ Und ein europaweites Benchmarking soll die besten Lösungen ermitteln – „aber das kann einige Jahre dauern“.
Bleibt nur noch, den möglichen Koalitionspartner FDP von diesem „Multitalent und Multimacher“ namens Späth zu überzeugen. Denn die Liberalen beanspruchen ebenfalls entweder das Finanz- oder das Wirtschaftsressort. Doch dazu äußerte sich Stoiber nicht: „Ich will erst die Wahlen gewinnen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen