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Experte für „brotlose Themen“

Moderater im Ton, aber unnachgiebig: Bernd Posselt gehört zur neuen Generation der Sudetendeutschen

„Eine sudetendeutsche First Lady für Deutschland“ wünschte sich Bernd Posselt zu Pfingsten und auf dem Sudentendeutschen Tag in Nürnberg. Dabei sah er sah Karin Stoiber an, die bayerische Kanzlerkandidatengattin. Sie stammt aus Karlsbad in Böhmen – und lächelte verlegen.

Aber das Amt des „Bundesvorsitzenden der Sudetendeutschen Landsmannschaft“ erlaubt keine Gnade. Seit vielen Jahren und in vielen Rollen setzt sich der 46-jährige Posselt für die Anliegen der Sudetendeutschen ein: Unter anderem als CSU-Abgeordneter im Europaparlament, als Präsident der Paneuropa-Union Deutschland und seit diesem Jahr auch als Bundesvorsitzender der Sudetendeutschen. Als CSU-Abgeordneter trat der gebürtige Münchner die Nachfolge seines prominenten politischen Mentors an: 16 Jahre lang war Posselt der engste Mitarbeiter von Otto von Habsburg, dem Sohn des letzten österreichischen Kaisers. Wie sein Mentor gilt auch Posselt innerhalb der CSU als Ost-Experte.

Im Europaparlament ist der kräftige Mann mit dem Schnurrbart und dem immer korrekt gescheitelten Haar äußerst umtriebig: Beim Thema Osterweiterung kämpft er gegen „Asylmissbrauch“ und dafür, „das bayerische Modell der inneren Sicherheit EU-weit zu installieren“. Das CSU-Parteiorgan Bayernkurier verweist stolz darauf, es sei Initiativen Posselts zu verdanken, dass auf EU-Ebene über eine „Lastenteilung bei den Flüchtlingsströmen“ nachgedacht werde. Es soll verhindert werden, dass Deutschland „zu viele“ Migranten aufnimmt.

Posselt selbst sieht den Schwerpunkt seiner politischen Arbeit in Minderheitenfragen. Das wären zwar Themen, die andere Kollegen für brotlos hielten. Aber für ihn sei es eine Herzensangelegenheit, „dass Minderheiten als Bereicherung empfunden werden und nicht als Bedrohung“.

Innerhalb der Sudentendeutschen Landsmannschaft gilt der Politiker sudetendeutsch-steirischer Abstammung als Vertreter einer neuen Generation und nicht als Hardliner wie sein Vorgänger Franz Neubauer. Er wolle, so Posselt, auf Dialog und Zusammenarbeit mit dem tschechischen Volk setzen, „um Wunden der Vergangenheit auf beiden Seiten zu heilen und um gemeinsames kulturelles Erbe zu pflegen und zu erneuern“. Die Sudetendeutsche Landsmannschaft ist für Posselt deshalb auch eine „frühzeitig globalisierte Gruppe“, die er als „Bindeglied zwischen Deutschen und Tschechen, nicht nur in Europa, sondern auch in anderen Teilen der Welt“ sieht. Im März dieses Jahres bat der Funktionär die tschechische Bevölkerung um Verzeihung für die Verbrechen, die von Sudentendeutschen im Zweiten Weltkrieg an Tschechen begangen wurden.

Auf die Aufhebung der Beneš-Dekrete will Posselt jedoch nicht verzichten, schlägt aber moderate Töne an. Er sei optimistisch, dass man zu einer Lösung kommen werde. Im tschechischen Volk wachse das Bewusstsein, dass man mit dieser Hypothek fertig werden müsse. „Ich halte das für einen gesunden Prozess, den man von außen her nicht zu sehr reglementieren sollte.“ Sagt Posselt, ganz Diplomat. Trotzdem fordert der EU-Abgeordnete auch weiterhin, dass Tschechien nur EU-Mitglied werden darf, wenn es vorher die Beneš-Dekrete aufhebt: „Die EU zwingt niemandem zum Beitritt.“

ANGELIKA HENSOLT

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