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Das Web in der Tasche

Neuer Anlauf auf den Geldbeutel der Kunden: Der niederländische Telekommunikationkonzern KPN will das in Japan sehr erfolgreiche „I-Mode“-Format für Mobilfunktelefone auch in Europa einführen

von JENS UEHLECKE

Etwa zwei Jahre ist es her, dass die Mobilfunkindustrie in Europa lauthals verkündete, das Handy habe endlich den Weg ins Internet gefunden. WAP (Wireless Application Protocol) wurde eingeführt – und floppte. Pixelige Schwarzweißseiten auf Minidisplays, hohe Übertragungskosten und langes Warten beim Seitenaufbau – alles das passte so gar nicht zu dem schnellen, bunten Gratisinternet auf dem PC

Jetzt scheint sich die Geschichte zu wiederholen. Dieses Mal tönt allerdings nur ein einziger Konzern, er mache das weltumspannende Netz mobil: das niederländische Telekommunikationsunternehmen KPN. Seine Töchter KPN Mobile in den Niederlanden und E-Plus in Deutschland haben in den letzten Wochen mit der Vermarktung des neuen Handy-Multimediadienstes „I-Mode“ begonnen. Der Name steht für „Internetmodus“ und bringt Nachrichten, Onlinespiele, Shopping, Musik und E-Mails aufs Funktelefon – in Farbe bei akzeptabler Geschwindigkeit.

Leider gibt es hierzulande bislang nur ein einziges Mobiltelefon, das den Ansprüchen des neuen Multimediadienstes auch technisch gerecht wird: das eigens entwickelte NEC n21i. Kein anderes Handy verfügt über einen Browser, mit dem man die in c/HTML – einer abgespeckten Version der für Webseiten gebräuchlichen HTML-Sprache – verfassten I-Mode-Seiten anschauen könnte. Und das lässt sich der Hersteller teuer bezahlen: In Kombination mit einem Zweijahresvertrag ist das Gerät beim E-Plus-Händler derzeit für satte 149 Euro zu haben, die I-Mode-Freischaltung kostet zusätzlich zur Grundgebühr drei Euro monatlich.

Der Inhalt kostet Geld

Wenn alles brav bezahlt ist, vergehen nach dem Auspacken nicht einmal fünf Minuten, bis das elefantenrüsselähnliche Symbol auf der Vorderseite des NEC-Handys blau pulsiert – ein sicheres Zeichen dafür, dass das futuristische Gerät online ist. Auf Tastendruck erscheint binnen weniger Sekunden das „i-Magazin“ auf dem beleuchteten, 160 mal 120 Pixel großen Display – die Gelben Seiten für I-Mode-Services. Und ein paar Klicks weiter entfernt warten 70 spezielle Angebote, zum größten Teil von alten Bekannten aus dem Contentgeschäft wie Spiegel online, FAZ.net, der comdirekt bank oder TV Spielfilm.

Nun hat I-Mode zwar die Hyperlinksteuerung und das bunte Antlitz des World Wide Web übernommen, nicht jedoch seine Geschenkökonomie. Für die meisten Dienste müssen mobile Datenjunkies tief in die Tasche greifen, zwischen 25 Cent und 2 Euro monatliche Abogebühren werden in der Regel fällig. Und die läppern sich schnell: Der Nachrichtenticker „dpa-Topnews“ zum Beispiel kostet 2 Euro. Der ADAC verlangt für Stau- und Verkehrsinformationen 1 Euro. Und um schließlich zu erfahren, wo der nächste Geldautomat oder das nächste Restaurant zu finden ist, bittet „Finder“ mit 50 Cent zur Kasse. Wer auf solche Angebote zugreifen will, muss beim ersten Anklicken seine persönliche I-Mode-PIN eingeben, um die Abbuchung über die Mobilfunkrechnung zu bestätigen. Nur das Wetter und der Fahrplan der Deutschen Bahn sind umsonst.

Für die Anbieter jedoch sind diese „Content-Abos“ ein lohnendes Geschäft – sie bekommen den Löwenanteil der Einnahmen. E-Plus und KPN Mobile kassieren für das Inkasso, den Kundensupport und den Link im i-Magazin gerade einmal 14 Prozent. Dennoch hoffen die beiden Unternehmen auf den lang ersehnten Aufschwung. Auf der Bilanzkonferenz ihrer Konzernmutter am Dienstag in Den Haag konnte der Chef Ad Scheepbouwer wieder einmal nur rote Zahlen vorweisen. Der Konzern sitzt auf einem Schuldenberg in Höhe von 15,4 Milliarden Euro, den er bis Ende des Jahres um eine knappe Milliarde drücken muss, um Analysten nicht zu vergrätzen. I-Mode präsentiert Scheepbouwer deshalb gerne als Silberstreifen am Horizont: Der Start sei vielversprechend verlaufen, rund 34.000 Kunden hätten sich schon angemeldet und vier von fünf neuen Nutzern zeigten sich in Umfragen „zufrieden“ oder „sehr zufrieden“.

Der I-Mode-Erfinder „NTT Docomo“ kann da nur milde lächeln. Dem japanischen Handy-Multi ist es gelungen, binnen zwei Jahren rund 30 Millionen Kunden für seine mobile Internettechnologie zu begeistern und I-Mode zum Kult zu machen. Dass sich dieser Erfolg in Europa wiederholen lässt, bezweifeln selbst KPN und E-Plus. Dennoch rechnen sie mit sechs Millionen I-Mode-Kunden bis Ende nächsten Jahres. Ein hoch gestecktes Ziel, doch die Mobilfunker meinen, aus dem Flop von WAP gelernt zu haben: I-Mode sei schneller, bunter und einfacher zu bedienen.

Der I-Mode-Standard basiert auf der vor etwa einem Jahr eingeführten Übertragungstechnik GPRS (General Packet Radio Service), die im derzeitigen Ausbaustadium etwa so schnell wie ein ISDN-Modem ist. Hinzu kommt, dass die Daten bei GPRS nicht am Stück, sondern ähnlich wie im Internet in kleinen Päckchen übertragen werden. Dadurch wird es möglich, nicht mehr die Onlinezeit, sondern nur noch das übertragene Datenvolumen abzurechnen. So müssen I-Mode-User für 1.024 übertragene Zeichen 1 Cent berappen, für jede übertragene I-Mail zusätzlich 19 Cent pauschal. Weil Zeit aber keine Rolle mehr spielt, können sie mit I-Mode rund um die Uhr online sein – I-Mails und dringende Informationen erreichen sie sofort.

Testlauf für UMTS

Nüchtern betrachtet spricht heute dennoch einiges gegen I-Mode: Zunächst genügt das einzige derzeit verfügbare Handy NEC n21i wohl kaum gehobenen Ansprüchen. Zwar hätt Captain Kirk seine Freude an den beiden auseinander klappbaren Silberschalen. Doch die Bedienung ist kompliziert, es fehlt eine Infrarotschnittstelle zum Anschluss ans Notebook, und der eingebaute Akku ist zu schnell leer. Für die zahlungskräftigen Businesskunden, auf die KPN-Mobile und E-Plus hoffen, ist das NEC-Handy also kaum geeignet.

Ein weiterer Haken von I-Mode: Einige der I-Mode-Dienste gibt es schon längst als Gratis-WAP-Seiten, die problemlos mit dem gleichen Handy abgerufen werden können. Diese werden die Anbieter aber wohl kaum abschalten, weil es für T-D1-, Vodafone-, O2- und Quam-Kunden derzeit keine Alternative gibt. Exklusive Angebote wären notwendig, die sich jedoch erst dann lohnen, wenn die Kundezahlen ebenfalls sehr schnell wachsen: Ein Dilemma, das E-Plus und KPN Mobile schleunigst lösen müssen, gilt I-Mode doch auch als Testlauf für die Einführung der UMTS-Dienste im nächsten Jahr. Dann wird sich die Geschichte noch einmal wiederholen. jens@taz.de

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