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Vom Saturn herab

Auf der Suche nach Gott und dem göttlichen Prinzip und in der Tradition von Sun Ra und seinem Arkestra: Die kalifornischen Blaktroniks spielen im Haus der Kulturen der Welt

von CHRISTOPH BRAUN

Gut vorstellbar, dass ins Studio der Blaktroniks in Oakland, Kalifornien, extraterrestrische Abhörprotokolle gefunkt werden. Ihre Tracks sind ein einziges Summen und Schwingen von Signalen. Ihre Sounds vermitteln glaubhaft, dass sie schon ewig unterwegs sind und erst seit kurzem von menschlichen Wahrnehmungsapparaten aufgespürt wurden.

Beim Hören ihres Albums „Seduction At 33 1/3“ stellt sich sofort dieser Blick ein, mit dem man die Erde als Planeten wahrnimmt: Die blaue Kugel wird zur geometrischen Form und dient als Resonanzraum für alles, was sich an Klang in den Weiten des Universums ansammelt. Von den gängigen Sounds hier unten haben die Blaktroniks lediglich einige Formen übernommen, die als Kategorien beschreibbar bleiben.

Hört man einzelne Stücke von Edd Dee Pee und X-Ray, so sind freilich Instant-Namedrops schnell zur Hand. In „Fais Moi Fremir“ klingt die Sängerin nach Sade, auch das abschließende „Serenade“ arbeitet mit den artifiziell verkühlten Keyboard- und Drumsounds des Souls der Achtzigerjahre. In diesem Sinn sind weitere Tracks leicht zu labeln mit „HipHop“, „Jazz“, „Detroit Techno“. Das allein würde den Blaktroniks aber nicht gerecht werden. Sie wollen alles.

Ihre Produktionen – in den USA sind bereits vier Alben erschienen, auch findet sich unveröffentlichtes Material im Netz – suchen stets den größten denkbaren Zusammenhang. Das Universum ist ihr permanenter Bezug. Programmatisch wurde das erste Album im Jahr 1996 „Return Of The Afronaut“ benannt. „Wie der Titel suggeriert, sind wir zurückgekehrt, doch nicht ohne Mission“, heißt es dazu auf www.dkim.com, einer der Blaktroniks-Sites im Internet. Mit dieser Behauptung integrieren sich die Blaktroniks in die Geschichte afroamerikanischer Musiker mit Passion für den Space. Schon bei Sun Ra war der „The Place“: Der Arkestra-Chef behauptete, vom Saturn zu stammen. Parliament und Funkadelic kamen in den Siebzigerjahren mit einem Raumschiff geflogen. In den Folgejahrzehnten setzten unter anderem Detroiter Technoproduzenten auf solch ein fantastisches Outsourcing. Jeff Mills etwa sagt über die gemeinsam mit Mike Banks und Robert Hood produzierte X-102-LP „The Rings Of Saturn“, das Album sei nach einem Traum entstanden, in dem Mills selber der Planet Saturn gewesen sei.

Ein derartig träumendes Bewusstsein ist unzufrieden. Unzufrieden mit der systematischen Benachteiligung von Afroamerikanern in den USA. Unzufrieden mit der kleinen Welt. Auch die Blaktroniks erzählen in Interviews, dass sie Mitmenschen lieber per Liveshow und Vibe beeinflussen würden, als Demokraten oder Republikaner zu wählen. Es heißt, außerhalb der Konventionen des Musikstudios kämen sie beim Erkunden noch viel weiter. Das klingt nach einem Versprechen, das auf der Blaktroniks-Website konkretisiert wird: „Wir sind auf der Suche nach Gott und dem Göttlichen.“

Sa., 1. 6., ab 21 Uhr: De:Bug Lounge im Haus der Kulturen der Welt. Blaktroniks (ca. 24 Uhr) und DJs Move D, Bleed, Caynd, Kiwi

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