: Militärisch schwach, diplomatisch stark
Wo steht Europa? Von 17 bis 19 Uhr diskutiert Egon Bahr über das militärstrategische Verhältnis Europas zu den USA
Der Besuch von US-Präsident George W. Bush in Berlin hat es erneut eindrucksvoll unter Beweis gestellt: Zwischen den USA und Europa knirscht es. Trotz aller Rhetorik der Solidarität im Anti-Terror-Kampf gehen sie in der internationalen Sicherheitspolitik unterschiedliche Wege.
Derzeit geben die EU-Länder durchschnittlich 1,8 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für militärische Zwecke aus – die USA 3,5 Prozent. Tendenz: steigend. Die US-Regierung drängt die Länder der Europäischen Union, ihre Rüstungsausgaben zu steigern – und droht andernfalls mit Nichtbeachtung. Die EU-Länder ihrerseits sind weit davon entfernt, außenpolitisch tatsächlich mit einer Stimme zu sprechen. Während die USA auf Großbritannien als treuen militärischen Verbündeten zählen, gelten insbesondere Frankreich, aber auch Deutschland als Bedenkenträger. Praktisch scheint sich eine Arbeitsteilung zu ergeben: Die USA führen, allein oder mit wenigen Alliierten, die militärische Auseinandersetzung – Europa und die Vereinten Nationen leiten die anschließenden Aufräumarbeiten. Die Außenpolitik der Bundesregierung lässt in diesem Zusammenhang Interpretationsspielraum. Außen- und Verteidigungsminister haben ihre Bereitschaft zur Teilnahme am Afghanistankrieg auch damit begründet, sich Einflussmöglichkeiten sichern zu wollen – wie groß die aber sind und wofür sie genutzt werden, ist nicht erkennbar.
Muss nicht Europa versuchen, aus der vermeintlichen militärischen Schwäche eine diplomatische Stärke zu machen und sein Gewicht zur präventiven Krisenbearbeitung einzusetzen? Wo steht Europa angesichts der neuen „Freundschaft“ zwischen den USA und Russland? Wie ist in diesem Zusammenhang das kürzlich unterzeichnete atomare Abrüstungsabkommen zwischen den USA und Russland einzuschätzen? Was ist aus all den Warnungen vor der Aufkündigung des ABM-Vertrages geworden, die noch vor Jahresfrist so laut zu vernehmen waren? Ist der nach wie vor geplante Aufbau eines nationalen Raketenabwehrsystems durch die USA heute unbedenklicher als vor einem Jahr, nur weil es der US-Regierung offensichtlich gelungen ist, die russische Ablehnung zum Verstummen zu bringen? Und welche Rolle hat eine deutsche Regierung innerhalb Europas, aber auch im transatlantischen Verhältnis eigentlich zu spielen?
Egon Bahr, einer der Architekten der Brandt’schen Ost- und Entspannungspolitik und engagierter Abrüstungspolitiker in den 80er-Jahren, ist bis heute einer der intimsten Kenner der deutschen Außenpolitik. Sein Eingangsreferat bei der Diskussion, die um 17 Uhr beginnt, dürfte für ausreichend Diskussionsstoff auf dem Podium und im Publikum sorgen. BERND PICKERT
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