EU-RICHTLINIE ZUR GLEICHSTELLUNG BLEIBT HINTER ERWARTUNGEN ZURÜCK: Kinkerlitzchen aus Brüssel
Eine Geheimwaffe der Frauen ist sie nicht geworden, die neue Gleichstellungsrichtlinie der EU. Dabei hätte es so schön laufen können: Die eher läppische Vereinbarung mit der Wirtschaft zum Thema Gleichstellung, die Kanzler Schröder seiner Frauenministerin als Trost für das von ihm abgeblasene Gesetz kredenzt hatte, hatte nämlich eine Lücke für diese Richtlinie gelassen. Die Regierung hatte sich verpflichtet, zwei Jahre lang kein Gesetz in den Bundestag einzubringen – es sei denn, die EU zwinge sie dazu. Daher hofften die Expertinnen, dass die Novellierung der Richtlinie so scharf ausfallen würde, dass bei der Umsetzung in deutsches Recht quasi ein Gleichstellungsgesetz herausspringen würde. Sie hatten sich zu früh gefreut.
Der einzige handfeste Fortschritt, den die neue Richtlinie bringt, ist das so genannte Verbandsklagerecht. Verbände und Organisationen haben künftig in der EU das Recht, anstelle einzelner Personen gegen deren Diskriminierung zu klagen. Verbandsklagen könnten sich zu einem machtvollen Instrument entwickeln – denn bisher scheiterte der Kampf für die Gleichstellung oft nicht an fehlenden Gesetzen, sondern daran, dass sich kaum ein Mensch traute, Arbeitgeber anzuzeigen oder sich bis vor EU-Gerichte durchzuklagen.
Alle anderen Veränderungen an der EU-Richtlinie sind Kinkerlitzchen. Sicher braucht es Institute, die Diskriminierungen nachweisen. Sicher werden in Zukunft noch wildere Prozesse wegen sexueller Belästigung geführt werden. Sicher trägt das zum erfolgreichen Füllen von Klatschspalten bei. Am rührendsten aber ist, dass die Regierung die Tarifparteien auffordern darf, sich um Gleichstellung zu bemühen. Diese Vorschrift hätte man sich gleich sparen können – denn das ist nicht mehr, sondern weniger als die windelweiche Vereinbarung zwischen Regierung und Wirtschaft, die es heute schon gibt. Hinter den Kulissen heißt es, dieser Teil der Richtlinie sei so vage ausgefallen, weil die Gewerkschaften nicht wollten, dass irgendwelche Frauenbeauftragten ihnen in ihre schöne Betriebsarbeit hineinpfuschen. Herzlichen Glückwunsch! Aber keine Sorge: Die Arbeitgeber werden zu den altbekannten Weichwaschformeln auch ihren Teil beigetragen haben. HEIDE OESTREICH
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