: Castoren meiden Bremen
Autokorso im AKW Unterweser, Schienenblockade in Oldenburg und wartende Demonstranten in Bremen – Castor-Transporte rufen Proteste hervor. AKW-Bewacher kündigen Streiks an
Stoßstange an Stoßstange schieben sich die Autos durch den Regen, Hupkonzert wie bei den Weltmeistern, ein buntes Transparent flattert vorneweg. „Stop Castor“ steht darauf, die Gesichter hinter den verregneten Windschutzscheiben grinsen: Der Autokorso auf dem AKW-Gelände ist eine Anti-Atom-Demonstration. „Wir sind einfach durchs Haupttor aufs Gelände gefahren“, sagt Helga Rinski von der örtlichen Bürgerinitiative Aktion Z und kann es selbst kaum fassen: „Da hat uns niemand dran gehindert.“
Zum dritten Mal in diesem Jahr startete am Mittwochmorgen gegen drei Uhr ein Transport mit abgebrannten Brennelementen aus dem AKW bei Esenshamm in die Wiederaufarbeitungsanlage im britischen Sellafield. Die beiden Castorbehälter waren noch keine anderthalb Stunden unterwegs, da mussten sie bereits stoppen: AtomkraftgegnerInnen aus Oldenburg hatten einen Bahnübergang besetzt und zwangen den Atommüllzug zum Stehen. Um einer Personalienfeststellung zu entgehen, gaben sie die Gleise nach einigen Minuten wieder frei.
Oldenburger Greenpeace-Aktivisten machten unterdessen mit Mahnwachen und Transparenten entlang der Bahnstrecke gegen die AKW-Betreiberin EonFront. „Eon produziert dreckigen Atomstrom auf Kosten von Menschen und Umwelt“, erklärte Greenpeace-Sprecher Ronny Meyer. Die Wiederaufbereitungsanlage in England verseuche mit ihren radioaktiven Abwässern die ganze Irische See. Meyer: „Die Leukämierate bei Kindern ist in der Umgebung von Sellafield zehnmal höher als im Landesdurchschnitt.“ Eon habe zudem im AKW Unterweser monatelang wissentlich Brennstäbe mit gefälschten Sicherheitspapieren eingesetzt, monierte der Greenpeacer: „Für die geht Profit vor Sicherheit.“
In Rinkerode bei Münster versuchten rund 40 AtomkraftgegnerInnen, den Atommüllzug aufzuhalten. Die Polizei nahm vier Personen fest. Castor-Proteste in Bremen werden indes vielleicht schon bald der Vergangenheit angehören. Der Grund: Immer öfter machen die Züge mit den hochradioaktiven Abfällen aus den norddeutschen AKW einen weiten Bogen um die Hansestadt. „Die wählen den Weg des geringsten Widerstands“, urteilt ein Sprecher des Bremer Anti-Atom-Forums.
Rund 30 AtomkraftgegnerInnen lagen die ganze Nacht zum Mittwoch auf der Lauer, um drei Castor-Behälter aus dem AKW Krümmel bei Hamburg an ihrem planmäßigen Fortkommen in Richtung Pfalz, Frankreich und Großbritannien zu hindern: „Wir waren bereit“, sagt einer: „Wir wollten den Castorzug stoppen.“
Aber der Zug kam nicht. Schon in Hamburg-Bergedorf musste die Polizei fünfzig Minuten lang Schotter abtragen, Schienen durchflexen und ein Rohr aufbohren, um zwei Demonstranten loszubekommen, die sich an die Gleise gekettet hatten. Danach wurde die strahlende Fracht nicht wie bisher üblich über Bremen geleitet, sondern in Rotenburg auf ein Nebengleis in Richtung Verden gelenkt. „Dann fahren wir das nächste Mal eben dorthin“, kündigte einer der Bremer Demonstranten an.
Mit Protesten ganz anderer Art müssen sich die AKW-BetreiberInnen in den nächsten Tagen auseinandersetzen. Die Gewerkschaft Verdi kündigte Warnstreiks im Bewachungsgewerbe an – insbesondere unter den Wachmannschaften der Atomkraftwerke. „Ein Arbeitskampf steht unmittelbar bevor“, sagte Ver.di-Verhandlungsführer Werner Dlugaiczyk. Die Große Tarifkommission der Security-Branche hatte das 2,8-Prozent-Angebot der Arbeitgeber vor zehn Tagen einstimmig abgelehnt. Verdi fordert sieben Prozent mehr Lohn. Der Schutz der AKW vor unerwünschten Eindringlingen ist durch die Warnstreiks angeblich nicht beeinträchtigt.
Armin Simon
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