: Spiel mit Scharia
Malaysias Islamisten wollen mit Hilfe der Scharia den gemäßigteren Premier als antiislamisch darstellen
BANGKOK taz ■ Das Parlament des Bundesstaates Terengganu im Nordosten der malaysischen Halbinsel hat am Montag beschlossen, für Muslime das islamische Recht in einer strengen Auslegung einzuführen. Vorgesehen ist, Dieben die Hand abzuhacken sowie Ehebrecher und Homosexuelle zu Tode zu steinigen. Der Gesetzentwurf wurde von der in Terengganu regierenden fundamentalistischen Parti Islam Se-Malaysia (PAS) eingebracht und mit großer Mehrheit verabschiedet.
Unterdessen hat die Zentralregierung von Premierminister Mahathir Mohamad in Kuala Lumpur angekündigt, die Vollstreckung des Gesetzes zu verhindern. In dem multiethnischen und multireligiösen Land kritisieren Menschenrechts- und Frauenorganisationen die vorgesehene Form der Scharia als entwürdigend und diskriminierend. Kürzlich hatte Terengganus Regierung sogar vorgeschlagen, dass auch Touristen nur noch nach Geschlechtern getrennte Schwimmbecken benutzen sollten. In den Supermärkten des Bundesstaates mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung ist eine solche Trennung bereits Realität: Dort gibt es für Männer und Frauen jeweils getrennte Kassen. Im benachbarten Bundesstaat Kelantan wurden 1993 ähnliche Gesetze beschlossen, aber nie angewandt.
Der muslimische Mahathir, der von vielen zur PAS übergelaufenen Wählern als „Ungläubiger“ beschimpft wird, fährt offiziell einen moderaten Kurs. So fordert er die Malaysier einerseits auf, mehr Toleranz und Offenheit gegenüber Andersgläubigen zu zeigen. Andererseits ist der ehrfurchtsvoll von den Medien „Dr. M“ genannte Mahathir aber auch für seinen Machtinstinkt und seine schrille Kritik am Westen bekannt. So geißelt er dort immer wieder den seiner Meinung nach starken Sittenverfall. Hinter diesen antiwestlichen Tiraden verbirgt sich ein autoritärer Kurs gegenüber innenpolitischen Kritikern und in jüngster Zeit der Versuch, die islamistische PAS als größte Oppositionspartei in die terroristische Ecke zu drängen.
Auch die Auseinandersetzung um die Scharia ist hauptsächlich eine machtpolitische Frage. Nach Meinung von Beobachtern versucht die PAS auf diese Weise sich die Unterstützung der Muslime bei künftigen Wahlen zu sichern. Versuche von Mahathirs Regierungskoalition Umno (United Malays National Organization), den radikalen islamischen Strömungen entgegenzutreten, sind nicht ohne Risiko. Schon bei den Wahlen 1999 waren viele muslimische Wähler zur PAS übergelaufen.
Auch in der Wirtschaftspolitik hatte es bereits einen Machtkampf gegeben. Und der betraf ebenfalls den Bundesstaat Terengganu. Dort war 1975 noch unter einer Umno-Provinzregierung festgelegt worden, dass der ölreiche Bundesstaat an den Erträgen aus den eigenen Öl- und Gasvorkommen beteiligt wird. Doch Mahathirs Regierungskoalition in Kuala Lumpur kündigte vor einiger Zeit an, dieses jetzt einer PAS-Provinzregierung zukommende Privileg zu beschneiden und selbst über die Verwendung der Mittel zu entscheiden.
NICOLA GLASS
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