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Wir können auch anders

Mit der Ausstellung „Neue Deutsche Architektur“ im Martin-Gropius-Bau wollen 25 teutonische Baumeister ihre Kollegen beim 11. Weltarchitektenkongress in der nächsten Woche beeindrucken

Geklotzt wird nicht. Es sind Projekte mit dem Anspruch von Bescheidenheit

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Es gibt nicht wenige Architekten, die der Meinung sind, dass in Berlin schon seit Jahren nicht mehr richtig über die neue deutsche Baukunst gesprochen worden ist. Hier, wo sich die Kräne drehten wie nirgendwo in der Republik, wo Milliarden verbaut wurden und ein Regierungsviertel, neue Plätze, Schulen, Wohnungen, Dienstleistungsquartiere und Museen entstanden sind, sei das Thema Baukultur nicht wirklich existent – es sei denn die ausländischen Stars wie Lord Norman Foster, Daniel Libeskind, Ieoh M. Pei, Peter Zumthor oder Renzo Piano bauten. In der Berliner Mitte, urteilt Peter Conradi, Präsident der Bundesarchitektenkammer, werde ein „Maß an Missachtung der zeitgenössischen deutschen Architektur deutlich, das in anderen Hauptstädten undenkbar wäre“. Die Konzentration auf die Rekonstruktion des historischen Stadtgrundrisses, Gestaltungsregeln und ein bauliches Einerlei aus Blockrandbebauungen hätten die schöpferische Kraft von Architektur zu Grunde gerichtet. Und last, but not least: „Aus Kleinmut und Zukunftsangst, aus Gedankenarmut und mangelnder Kreativität wird jetzt noch der Nachbau des Schlosses gefordert“, poltert Conradi.

Wenn vom 22. bis 26. Juli 2002 der 11. Weltkongress der Architektur (UIA) tausende internationaler Architekten in Berlin versammelt, werden sich berechtigte Kritik und Bewunderung wohl die Waage halten. Die neuen Botschaften und Ländervertretungen, das Auswärtige Amt, das Tempodrom oder neue Schulen, Sportanlagen, Verkehrsbauwerke und Museen brauchen sich nicht zu verstecken, im Gegensatz zu Planungen entlang der Friedrichstraße, den billig hochgezogenen Bürozentren in Mitte und in der City West.

Was dennoch bleiben wird als Defizit, ist die fehlende Strahlkraft und epochale Wirksamkeit aktueller und zugleich moderner Baukultur im internationalen Maßstab.

Um wieder an die Erfolge der 50er- und 60er-Jahre anknüpfen zu können, als die deutsche Architektur zu den Verkaufsschlagern im Ausland zählte, versucht parallel zum Kongress die zentrale Ausstellung „Neue deutsche Architektur. Eine reflexive Moderne“ eine frische bauliche Positionierung.

Man will also in die Offensive starten, den Blick nach vorn richten und das Vorurteil mittelmäßiger Baukultur in Deutschland korrigieren. 25 Projekte neuester deutscher Baukunst sind dazu im Martin-Gropius-Bau ausgestellt, modelliert in Holz und Gips zum Darum-Herum-Gehen, auf großflächige Prospekte aufgezogen und für ein Fachpublikum mit ein paar Grundrissen aufpoliert.

Erstaunlich dabei ist die Auswahl, die eine Jury für die Veranstalter, die Hamburgische Architektenkammer und die Bundesarchitektenkammer, zusammengestellt hat. Aus über hundert Bauten wurden nicht mehrheitlich die gängigen Vielbaumeister mit ihren Projekten ausgewählt, sondern singuläre Architekturen in der Republik, die sich mit einer spezifischen Bauaufgabe, wie dem Siedlungs- und Wohnungsbau, der Sakralarchitektur, einer Bibliothek, den spezifischen kommerziellen Zweckbauten oder Museumsarchitekturen beschäftigt haben.

Natürlich bedeutet diese Auswahl Unvollständigkeit. Denn neue deutsche Architektur lässt sich nicht auf 25 Projekte reduzieren. Ernst Hubeli, Mitglied der Jury, begründete darum die minimalistische Konzeption mit einer Qualitätsdefinition. Es gehe nicht um Masse, sondern um Klasse, „nicht um Schönheit, sondern um die aktuelle bauliche und gesellschaftliche Relevanz der Projekte“ – also um den Beispielcharakter einzelner ausgewählter Bauwerke in der neuen deutschen Architektur am Beginn des 21. Jahrhunderts.

Gelungen ist dies mit Sicherheit bei einer guten Hälfte der Exponate: Die Münchener Herz-Jesu-Kirche in einer gläsernen Hülle (Allmann/Sattler/Wappner), die Neue Synagoge Dresden (Wandel/Hoefer/Lorch und Hirsch), die wie ein Tempel inszeniert ist, das als fließende Großform gebaute Umweltbundesamt in Dessau (Sauerbruch/Hutton), die fast geschlossenen quaderförmigen Steinblöcke der sächsischen Landesbibliothek in Dresden (Ortner und Ortner) oder die zwischen Fluss und Stadt angelegte Seniorenwohnanlage Neuenbürg (Mahler/Günster/Fuchs) lassen Architektur als bauliche, technisch-innovative und ästhetische Besonderheit deutscher Baukultur erscheinen.

Es ist gut, dass die Veranstalter auf eine massige Leistungsschau ebenso verzichtet haben wie auf überdimensionierte Ausstellungsarchitektur. Entgegen kommt damit nicht nur dem Besucher das Konzept der Schau, die als Wanderausstellung fünf Jahre um den Globus gehen soll und fast überall aufgebaut werden kann. Sie gibt den Projekten, die zum Teil unspektakulär, nüchtern, pragmatisch und mit dem Anspruch von Bescheidenheit daherkommen und sich extrovertierten Moden verweigern, damit einen gleich klingenden Rahmen.

Dass die Ausstellung „Neue Deutsche Architektur“ auf ein paar schon sprichwörtlich durch den Wolf gedrehte Berliner Projekte und deren Macher eingeht, tut der Schau einen kleinen Abbruch: Hans Kollhoffs und Helga Timmermanns backsteinernes Hochhaus am Potsdamer Platz etwa oder Max Dudlers lange schon eröffnete Schule im Berliner Bezirk Hohenschönhausen gehören dazu.

Vielleicht wäre es besser gewesen, sich statt dessen für Axel Schultes’ und Charlotte Franks Bundeskanzleramt zu entscheiden. Denn es ist einer der wenigen Bauten in Berlin, die nicht nur dem Anspruch genügen, ein Beispiel neuester deutscher Architektur zu sein, das den internationalen Vergleich nicht zu scheuen braucht und Conradis Forderung nach Kreativität erfüllt. Schultes’ Bau im Spreebogen beinhaltet auch etwas ganz Neues: Es ist der Versuch der Neuformulierung einer baulichen Ikonographie im Bereich repräsentativer Staatsarchitektur, für die es in Deutschland bisher keine Vorbilder gab.

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