: Die röhrende Rühreifrage
Der Zeltplatzaufenthalt bei einem Formel-1-Rennen will genau vorgeplant sein
Am Wochenende fand in meiner Stammkneipe, der „Zeitungsente“, ein lange anberaumtes Meeting statt. Teil nahmen gemäß ihrer Zuständigkeit und auf Grund ihrer extremen Qualifikation für die zu behandelnden Fragen ein Herr namens K., der Herr Suppa, Frau Conrad und ich.
Der Hauptordnungspunkt des Meetings betraf das Problem, wie und mit welchem Equipment man den Zeltaufbau beim Formel-1-Grand-Prix Ende August in Spa-Francorchamps bewerkstelligen solle. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre hatten gezeigt, dass das schlichte Errichten billiger Ein- bis Zweimannzelte auf der Wiese nahe des Ardennenkurses unweigerlich Komforteinbußen während der fünf Tage unter freiem Himmel nach sich zieht. Auch für die Kühlung bestimmter Lebensmittel und Getränke sei dieses Jahr Sorge zu tragen, wolle man nicht wieder allzu abhängig sein von den Wegberger Freunden, die stets optimal vorbereitet anreisten. Das war Konsens.
„Es ist eine glasklare Vorstrukturierung sowohl der Unterkunfts- als auch der Ernährungsbelange vonnöten“, eröffnete Herr K. das Logistikmeeting. „Ich sehe diesen Grill schon genau vor mir. Das wird eine Art Gasgrill sein. Auf so einem Grill kann man ein Rührei machen, das den Namen Rührei verdient. Ich kaufe die Kühlbox und Eier. Keine Kompromisse in der Rühreifrage dieses Jahr!“
„Schon gut“, sagte ich, „und wie halten wir das Bier kalt?“ – „Das Bier kann kalt bleiben, wo es will“, so Herr K. „Moment“, so Herr Suppa, „wo kommt der Gasgrill hin?“ – „Neben mein Zelt.“ – „So einfach geht das nicht! Wir haben, Augenblick …, vier Zelte, und …“ – „Und eins der vier Zelte ist meins. Im Zelt steht die Eierkühlbox. Wo mein Zelt steht, ist egal. Die Windrichtung spielt mir keine Rolle.“
Herr Suppa griff sich eine der herumliegenden Illustrierten, riss den Lesezirkelmantel ab, zückte einen Filzstift und begann. „Wir sind, Moment, genau fünf Leute. Und da sind die Wegberger. Lassen wir die mal weg. Wir müssen das superultragenau planen diesmal!“ Er nahm sein drittes Weizen.
„Denkt an die Scheiße mit dem Regen! Wir müssen supergenau stehen! Und wir brauchen diese Plane über der ganzen Scheiße. Wir brauchen ein Dach über dem Kopf!“, beschwor Herr Suppa uns und zeichnete Pfeile, Kreise und Kästchen auf das Papier. Eine glasklare Grafik entstand. „Hier der Zaun, wie immer. Freier Blick auf die Straße. Zwei Autos, ich nenne sie mal Pkws, haben wir. Eins links, eins rechts. Dazwischen die Zelte. Da steht die Grillstation, mein Gusseisengrill!“ Er schnaubte. „Und der Gasgrill?“ – „Was brauchen wir einen Gasgrill?“, keuchte Suppa, „hier ist die Hecke, dahinter der Zaun, davor der Grill, daneben mein Zelt, und euer’s ist …“ – „Ich schlage vor, wir kaufen so einen Baldachin, so ein Stelzenzelt“, so Frau Conrad, „als so ein Zentrum. Darum dann die Schlafzelte.“ – „Superidee!“, juchzte Suppa, „das Mastertent! Genau! Hierhin! Was soll der Shit mit den Wegbergern? Brauchen wir deren Plane? Wir müssen uns keine Schande geben! Wir müssen uns fragen: What are the principials, and what are the secundaries? Wir bauen uns ein kleines Dorf, damit wir secure sind. Wir zeigen den Wegbergern, wo’s langgeht. Fuck.“
„Fuck, gut“, so nun ich, „aber der Windschutz.“ Ich nahm den Stift. „Pkw zwei rechts, zum Wald hin, als Lärmschutzwand gegen die Holländer und …“ – „Und der steht auf der Plane, die über die ganze Scheiße kommt, als Pfeiler, so dass ein Auto, Pkw zwei von mir aus, das massive Dach bildet. Das ist der Bezugspunkt, das ist der Safe!“ – „Eben“, so Frau Conrad, „und links, gegen Wegberg, Pkw eins, den wir als Fluchtwagen nehmen, am Donnerstag, zum Flughafen, wenn Schumacher ankommt.“
Teamstratege Suppa willigte ein, bestellte ein Weizen und malte wieder. „Klassische Symmetrie, yes. Central point tent, davor Suppa-Grill, drüber die – halt, schlafen zur Fahrgasse oder zum Zaun? Wir brauchen den ultimativen freien Blick, daran müssen wir noch arbeiten.“ – „Machen wir doch gerade.“ – „Stimmt. No way for Wegberg! Wir sind die Ersten! Die Autos da hinhaun, die Plane drüber, das ist der Overhead, volle Ausrichtung nach vorne, und der Gasgrill kann groß oder klein sein, wie er will, es wird fuck off so gemacht.“ – „Und was nehmen wir zu essen mit?“, so Frau Conrad. „Logisch“, dehnte Suppa die Stimme, „das müssen wir für uns ja auch mal requesten.“ Er schielte auf den Boden seines Bierglases. „Beim nächsten Logistikmeeting.“
Ich beantrage die Umbenennung meiner Stammkneipe in „Zeltungsente“. Oder Suppakneipe. JÜRGEN ROTH
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