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tratschort trinkhalle von JÜRGEN ROTH

Innerhalb der Trinität deutscher Trinkorte (Kneipe, Biergarten und Straßenausschank) nimmt die Trinkhalle eine Sonderposition ein. Sie dient fast eindimensional der Beschimpfung argloser Passanten durch die Trinkenden und forciert mittels kostengünstiger Konsumangebote die knallharte Ausrichtung auf letztlich narkotisches Trinken, das Gegenteil der gelegentlichen Kneipen- oder Gartengelage.

Man trinkt an der Trinkhalle, in Frankfurt „Wasserhäuschen“ genannt, stehend und unterwirft sich, gemäß ihrer lauten, „städtischen“ Lage, dem Rhythmus sequentiellen Saufens, des so genannten „Elendstrinkens“ (Eckhard Henscheid).

Zu beobachten ist oft eine nicht annähernd begriffene Trunksucht, für Robert Walser „eine bildhässliche Sache“, für den unbescholtenen Einkäufer bisweilen ein Problem, denn der ansprachebedürftige oder ansprachefreudige Trinker, den man freilich kennt vom täglichen Anblicken her, verwickelt einen beim Erwerb eines Päckchens Tabak, einer Flasche Wasser oder eines Kaugummis in potentiell infinite Gespräche, etwa dergestalt Drehtabak auf jeden Fall von Vorteil und eins a sei, weil er, der aus Gewohnheit „Aktive“ qualme, von Zeit zu Zeit Drehtabak bevorzuge, er rauche dann weniger, das Drehen sei so anstrengend, und das sei gut.

Drehtabak, ja, erwidere ich, Drehtabak sei billiger und schmecke besser, logisch, und er rauche ihn gern, um weniger zu rauchen, Drehtabak, das sei ein probates Mittel, das Rauchen einzuschränken, von den fertigen Zigaretten rauche er pro Tag drei, vier Schachteln, ein Drehtabak aber lange ihm zwei Tage, und deshalb rühme er den Drehtabak, er rühme und halte ihn für gut, insofern er den Rauchverbrauch senke und er weniger rauche, und überhaupt, man solle auch einen heben, koste doch praktisch nix, ha, und eine mitrauchen, wenn man schon da sei, und die nächste Underbergflasche fliegt schleunigst in den Papierkorb.

Von solchen Nachbarschaftsbekanntschaften ist ebenso wenig ein Loskommen wie vom Inhaber der Trinkhalle. Chef Costa qualmt leidenschaftlich, streckt freundlich die Hand durch das Schiebefenster, erkundigt sich, wie es gehe, ob alles gut sei, man nickt, und schon bricht es in brummendem Deutschgriechischcrossover aus ihm heraus.

Ich bin Costas Kontakteinlöser, sozusagen ein Kommunikationsreizauslöser. Dass er an keinen Gott glaube, müde sei, schlecht schlafe, den neuen Wolfgang Petersen für Schrott erachte und das heißkalte Wetter nicht ertrage, Platon ein Spitzenphilosoph gewesen und nach wie vor einer sei und die Weinhandelsaktivitäten in Frankreich ihm unerwartete Probleme bereiteten, das alles erfahre ich während eines einzigen Stand-ins, und erst die etliche Male wiederholte Geste der ausgestreckten Hand (nun meinerseits) bremst und stoppt dann das verwegene Kauderwelsch, zu dem ich ausgiebig nicke, ratlos und angenehm berührt zugleich.

„Such is life, so ist das Leben, wie man sagt“, grinst Chef Costa, what ever he told me. Bis morgen!

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