: Wer zahlt für den Kabelsalat?
Die Hamburger Straße soll zur Allee werden. Damit 30 neue Bäume dort künftig schnurgerade in einer Reihe stehen, soll die swb ihre Leitungen neu verlegen. Die stellt sich quer: „Das muss die Stadt bezahlen.“ Das Bauressort droht mit einem Prozess
Die Stadt plant ein ehrgeiziges Projekt. Ab nächstem Frühjahr soll die Hamburger Straße zwischen Lüneburger und Stader Straße zu einer Allee umgebaut werden. Die Planung ist üppig: Es soll neue Radwege, neue Gleise und Haltestellen für die Straßenbahn und Parkbuchten für Autos geben – und unters Pflaster kommt ein neuer Abwasserkanal. Alles soll schöner, besser, ordentlicher werden. Und grüner: 30 zusätzliche Bäume, so die Pläne des Amtes für Straßen und Verkehr, spenden in Zukunft Schatten und sorgen für ein ausgeglicheneres Stadtklima. Nur: Damit die Bäume planmäßig in einer Reihe stehen können – Stichwort: Allee –, soll die swb ihre Strom, Gas- und Wasserleitungen verlegen. „Zu teuer“, heißt es bei der Stadtwerke-Nachfolgerin. Ginge es nach der swb, müsste hingegen die Verursacherin auch für die Kosten aufkommen. Sprich: die Stadt.
„Das ist ein Reizthema“, gibt Klaus-Dieter Sagebiel, Sprecher im Bauressort von Christine Wischer (SPD), zu. Denn nicht nur in der Hamburger Straße, sondern fast überall, wo Straßen umgebaut, Gleise verbreitert, Kanäle erneuert oder Bäume gepflanzt werden, liegen die Kabel und Rohre im Weg. Und auch im Bauressort ist bereits angekommen, dass die Stadtwerke, die im letzten Jahr bereits rote Zahlen geschrieben haben, nicht willens sind, jede Stadtbild-Verschönerung aus ihrem eigenen Geldbeutel mitzufinanzieren. „Wir verhandeln noch mit der Stadt“, sagt swb-Sprecherin Marlene Odenbach mit Blick auf die geplanten Bauarbeiten in der Hamburger Straße. Das Bauressort droht: „Wenn die swb zu keinem Kompromiss bereit sind, wird es eine rechtliche Auseinandersetzung geben.“
Den Zeitplan für die Bauarbeiten will die Stadt dadurch aber nicht gefährden. Deshalb schlägt die Verwaltung jetzt vor, die Kosten für die nötigen Kabelverlegungen zunächst aus dem städtischen Haushalt vorzustrecken. Internen Schätzungen zufolge geht es dabei um rund eine Million Euro – knapp ein Drittel der Summe, die die Stadt für die Neugestaltung der Fahrbahnoberfläche aufwenden muss.
Die Rechtslage ist aus Sicht des Bauressorts in diesem Fall eindeutig: „Die Leitungskonzessionäre sind folgepflichtig“, erklärt Bau-Sprecher Sagebiel knapp. Das heißt: Wer von der Stadt die Genehmigung erhält, Kabel oder Rohre im Untergrund zu vergraben, der muss diese auch auf eigene Kosten verlegen, wenn die Straße umgeplant wird und dort etwa ein Baum gepflanzt werden soll. So steht es in einem Vertrag, den die swb vor einigen Jahren selbst mit unterzeichnet hat. Einzige Bedingung: Das Vorhaben muss begründet und darf nicht grob unwirtschaftlich sein.
Genau das aber ist strittig. Eine feste Regel nämlich, wie groß der Abstand zwischen Baum und Kabel mindestens sein muss, gibt es nicht. Das behördeninterne Papier nennt dazu einen Richtwert von zwei Metern. „Wenn der überall eingehalten werden müsste, könnte man hier nirgendwo mehr Bäume setzen“, sagen amtliche Baufachleute. Unterirdische Kabel und Leitungen mit Abdeckungen vor den Baumwurzeln zu schützen – wie beim Bau der Straßenbahn Linie 4 nach Borgfeld –, ist bei den Stadtwerken allerdings eher unbeliebt. „Bei Störungen kommt man dann nur noch schwer an die Leitungen ’ran“, heißt es dort.
Das Umlegen von Strom-, Gas-, Wasser- und Telefonleitungen sei bei Baumpflanzungen nur die letzte Möglichkeit, sagen auch die Experten von Stadtgrün. Sie komme nur in Betracht, wenn „genug Geld und Zeit“ vorhanden sei: „Da würde man doch eher den Baum um ein paar Zentimeter verschieben.“
Armin Simon
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