: Ein Liebhaber der drastischen Worte
James Traficant ist der zweite Kongressabgeordnete der USA seit dem Bürgerkrieg, der seines Amtes enthoben wurde
„Wenn ich tatsächlich rausgeschmissen werde, ziehe ich meinen besten Jeansanzug an und tanze euch hier den Moonwalk“, ließ James Traficant verlauten. Der 61-jährige Abgeordnete aus dem Bundesstaat Ohio wurde gestern wegen Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung aus dem US-Kongress entlassen und muss nun mit sieben Jahren Gefängnis rechnen. Ein historisches Ereignis: Traficant ist damit erst der zweite Kongressabgeordnete seit dem Amerikanischen Bürgerkrieg, der seines Amtes enthoben wird.
Zu seiner angekündigten Tanzeinlage kam es dann doch nicht, obwohl es dem extravaganten Rebellen zuzutrauen gewesen wäre. Seine Haarpracht lässt ihn ein wenig wie einen ergrauten Elvis Presley erscheinen, und seine Vorliebe für bunte Polyesteranzüge, schrille Krawatten und vulgäre Ausfälle haben ihm sogar eine kleine Fangemeinde in der Politikszene Washingtons beschert. „Ich bin eben anders“, sagte er zu seinen Kongresskollegen. „Tief im Innern wollt ihr doch auch alle weitere Hosen tragen, ihr traut euch bloß nicht. Und das ich meine Haare mit dem Rasenmäher schneide, gebe ich gerne zu.“ Gar nicht gerne zugeben wollte Traficant dagegen, was ihm schon seit geraumer Zeit vorgeworfen wird und nun erwiesen ist: Betrug und Korruption. Außerdem soll er Steuern hinterzogen und Beweismaterial zerstört haben. Mitarbeiter berichten, zum Mistschaufeln auf Traficants Pferdefarm gezwungen worden zu sein, wenn sie ihren Job behalten wollten.
Traficant leugnet alles und sieht sich als Opfer einer Regierungsverschwörung. „Ich liebe Amerika, aber ich hasse die Regierung!“, poltert er. „Lieber gehe ich in den Knast, als dass ich etwas zugebe, was ich nicht getan habe.“
Der Sohn eines Lkw-Fahrers sah sich schon immer gerne als „einer aus dem Volk“, der gegen Bürokratie und die Übermacht des Staatsapparats eintritt. 1982 hatte er sich als Sheriff in Ohio schon einmal erfolgreich gegen Korruptionsvorwürfe verteidigt. Der darauf folgende Medienwirbel um seine Person verhalf dem Demokraten schließlich zu einem Posten im Kongress, dem er seit 1984 angehörte.
Sein Rausschmiss gestern erfolgte einstimmig – nur einer der 421 Abgeordneten stimmte gegen die Entlassung: ausgerechnet der Republikaner Gary A. Condit, der wegen seiner Affäre mit der einem Mord zum Opfer gefallenen Praktikantin Chandra Levy mit seinem angeschlagenen Image zu kämpfen hat.
Traficant nutzte seinen letzten Auftritt im Kongress für das, wofür er berüchtigt ist: einen verbalen Rundumschlag mit drastischer Wortwahl. Den Journalisten wünschte er Geschlechtskrankheiten, empfahl einem Anwalt, sich seine Beweise gegen ihn in den Allerwertesten zu schieben, und befand, dass irgendwer den Mitgliedern des Ethikrats, die seine Entlassung veranlasst hatten, „wohl was ins Essen getan haben muss“. Sein abschließendes Statement war deutlich: „Sollten die Mitglieder dieser Kommission noch einmal lügen, werde ich ihnen allen persönlich in die Eier treten. Vielen Dank!“
Doch trotz seines bühnenreifen Abgangs hat Traficant nicht vor, aus der Politik zu verschwinden. Er werde als Parteiloser erneut antreten, sagte er. „Wundert euch nicht, wenn ich aus dem Knast heraus gewinne.“ ALENA SCHRÖDER
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