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MANNESMANN-ABFINDUNGEN: ZWICKEL IST NICHT DAS PROBLEMFalsches Selbstverständnis

Es ist ein hämischer Reflex, dass sich das öffentliche Interesse im Fall der Mannesmann-Abfindungen nur auf IG-Metall-Chef Klaus Zwickel konzentriert. Schließlich hatte der gar nicht dafür gestimmt, als der Rest-Aufsichtsrat der Mannesmann-Führungsriege Abfindungen in zweifelhafter Millionenhöhe zusprach – er hatte nur keinen großen Aufstand gemacht. Es ist hämisch, aber es zeigt auch, dass sich Praxis und ursprüngliche Rolle der Gewerkschaften als Institution einer Arbeiterbewegung so weit auseinander entwickelt haben, dass von außen niemand mehr versteht, worum es DGB & Co. eigentlich noch geht.

Die momentane Empörung kommt schließlich gar nicht daher, dass die Abfindungsaffäre kriminell gewesen sein könnte, sondern dass Zwickel seiner moralischen Verpflichtung zum Nein nicht gerecht geworden ist. Nur: Genau das konnte auch niemand von ihm verlangen.

Schließlich sehen die Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsräten ihre Rolle nicht darin, Entscheidungen zu verhindern. Dazu haben sie oft weder die Kompetenz noch die Mehrheit. Ihnen geht es vor allem um Informationen, mit den Vertretern der Kapitalseite arrangieren sie sich gewöhnlich. Mehr noch als auf die Betriebsräte trifft das auf die Gewerkschafter zu. Schließlich ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass diese die gleichen Kapitalvertreter in den Aufsichtsräten anderer Unternehmen wieder treffen. Da gibt man nicht ohne Not den Terrier, der sich auf einer Kundgebung so gut macht.

Deshalb trifft die Forderung nach einem Rücktritt Zwickels nicht den Punkt: Zurzeit definieren die Gewerkschaften Mitbestimmung ausschließlich als Standortfaktor. Erkämpft wurde sie aber, um wirtschaftliche Entscheidungen zu demokratisieren und Arbeitnehmerrechte zu gewährleisten. Die Diskussionen um Zwickel zeigen, dass die Gewerkschaften sich darauf besinnen sollten. Ein neues Selbstverständnis der Gewerkschaften als Gegenmacht ist allerdings jedoch weder bei der Mitbestimmung noch politisch in Sicht.

BEATE WILLMS

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