: Dachlatten und Übertreibung
Kunst zum Architekturkongress (4): Franka Hörnschmeyers Rauminstallation „Büroauflösung“ in der Galerie Kapinos
Es hängt einem ein Brett vor dem Kopf, wenn man Franka Hörnschmeyers Rauminstallation „Büroauflösung“ in der Galerie Kapinos betritt. Das Brett ist aus grobfaseriger, gepresster Holzwolle geleimt, also eine so genannte Heraklith-Platte, wie man sie in jedem Baumarkt bekommt. Baumärkte sind Orte, in denen man die Wünsche spazieren trägt, die einem ein leerer Raum eingebrockt hat. Der Umgang mit der Leere ist eine der schwierigsten Herausforderungen für den Heimwerker wie auch für den Architekten.
Aber sowenig es für einen Hängeschrank den richtigen Ort an einer leeren Wand gibt, so wenig möchte man sich bei der Nutzbarkeit von Räumen dauerhaft festlegen. Der möglichst große, leere Raum ist zugleich Traum und Albtraum des ihn Beziehenden. „Büroauflösung“ lässt sich als Travestie einer funktionalen Raumplanung lesen. In den Galerieraum ist ein dreidimensionales Raster aus Dachlatten und Leimholz eingefügt, das die Leere in Gänge und Nischen unterteilt. Die definitorische Wirkung der Horizontalen und Vertikalen lässt eine Rationalität vermuten, die sich aber bei genauerem Hinsehen ins Absurde verbeißt. Keiner der entstehenden Teilräume ist groß genug, um noch zu seiner Nutzung einzuladen. Besenkammern allesamt, die Durchgangshöhe zwei Meter, der rechte Winkel das prägende Stilmittel. Der Raum ist buchstäblich verplant. Die Installation geht aus von einem innenarchitektonischen Entwurf von Birgit Hansen, der sich den Galerieraum als „Workspace“ für ein fiktives Kleinunternehmen denkt. Indem der größere Raum in Einheiten unterteilt wird, entstehen Ausschlusskriterien für seine Nutzbarkeit. Sollstellen zeichnen sich ab: Teeküche, Kopierraum und Arbeitsplatz.
Der planerische Entwurf stellt einen Kontrast zu patentierten Modulmöblen, die gegenüber den Bedürfnissen ihrer Nutzer ebenso flexibel sein sollen wie diese gegenüber denen des Arbeitsmarktes. Der Gegensatz wird durch Hörnschmeyers Entwurfsbearbeitung zwar forciert, nicht aber pointiert. Die Raumplanungsratio wird mit denkbar einfachen Mitteln desavouiert: Dachlatten und Übertreibung.
Wann immer man dem Diktat des Rasters in eine der Nischen folgt, wächst sich die Ratlosigkeit zu einer Klaustrophobie zusammen. Was bleibt, ist die reflexhafte Sehnsucht nach Freiraum. Und der Anblick der Astlöcher und Wasserflecken auf den Baumarktlatten, die aus der Ferne an ihre organische Herkunft erinnern. Es wäre mal wieder Zeit für eine Fahrt in den Spreewald.
TOBIAS HERING
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