: Kontrolle ist besser
Seit der Börsencrash die Ersparnisse der US-Bürger anfrisst, will die Politik nicht nachgiebig gegenüber Betrügern in Chefetagen erscheinen
aus New York NICOLA LIEBERT
Ein Gesetz, das das Vertrauen in die Bücher von US-Unternehmen und damit auch in die Märkte zurückbringen soll, ist nun praktisch beschlossene Sache. Am Mittwoch einigte sich der Vermittlungsausschuss zwischen Senat und Repräsentantenhaus in Washington auf einen Kompromiss.
Präsident George W. Bush, dessen Zustimmungsraten kräftig ins Rutschen gekommen sind, hat bereits angekündigt, dass er jedes Unternehmensreformgesetz unterschreiben werde, wenn es nur bald kommt. Die Verhaftung des Gründers von Adelphia, John Rigas, und seiner zwei Söhne begrüßte Bush ausdrücklich. Rigas und sein Clan sollen die sechstgrößte Kabelfirma der USA regelrecht ausgeplündert haben. Die Neuigkeiten lösten an der Wall Street das gewaltigste Kursfeuerwerk seit dem Ende des letzten Crashs 1987 aus.
Ohne die Bilanzfälschung des Telefonkonzerns WorldCom, die am vergangenen Sonntag in einer Riesenpleite endete, wäre vielleicht noch monatelang nichts passiert. Der demokratisch beherrschte Senat wollte eine strenge Aufsicht über die Buchprüferbranche und happige Strafen gegen betrügerische Firmenchefs. Das Repräsentantenhaus mit seiner großen republikanischen Mehrheit ebenso wie das Weiße Haus war eher dafür, die Unternehmen mit Samthandschuhen anzufassen.
Jetzt aber überstürzten sich Kongressmitglieder beider Parteien in dem Bemühen, möglichst streng und konsequent zu wirken. Immerhin ist Wahlkampf. Angesichts des Crashs, der die Ersparnisse vieler US-Amerikaner aufzehrte, kann es sich derzeit kein Politiker erlauben, großzügig gegenüber den Machenschaften in den Chefetagen zu erscheinen. Da konnten selbst die Lobbybemühungen von Unternehmensverbänden das Gesetz nicht mehr verhindern.
Der Gesetzentwurf erklärt Wertpapierbetrug zur Straftat. Wer sich schuldig macht, dem droht eine Gefängnisstrafe von bis zu 25 Jahren. Die Unternehmensvorstände müssen künftig unterschreiben, dass die Bilanzen korrekt sind. Auf Verstoß stehen zehn Jahre, bei vorsätzlicher Täuschung bis zu zwanzig. Firmen müssen zudem jegliche substanzielle Änderung ihrer finanziellen Lage umgehend veröffentlichen – in allgemein verständlicher Sprache. Geldbußen sollen in einen Fonds fließen, aus dem gegebenenfalls Investoren entschädigt werden.
Kernpunkt der Vorlage aber ist eine Aufsichtsbehörde über die Buchprüfungsbranche. Schließlich haben viele Unternehmen lange Zeit ihre Bilanzen schönen können, ohne dass die Buchprüfer Alarm schlugen. Die hatten wenig Interesse daran, ihre Kunden, denen sie oft auch als gut bezahlte Unternehmensberater dienen, durch allzu scharfe Kritik gegen sich aufzubringen. Deshalb soll das Gesetz auch Beratungstätigkeiten von Buchprüfern einschränken.
Besonders aufgestoßen sind der Öffentlichkeit die Buchprüfer von Arthur Andersen, die nicht nur die betrügerischen Deals des Energiekonzerns Enron abnickten, sondern auch noch verräterische Dokumente vernichteten, als der Bilanzbetrug publik wurde. Auch so etwas ist künftig strafbar. „Der Gesetzentwurf spiegelt unsere Entschlossenheit wider, dafür zu sorgen, dass das Vertrauen der Investoren in unsere Kapitalmärkte wieder hergestellt wird“, erklärte Senator Paul Sarbanes, auf dessen Initiative der Senatsentwurf zustande kam.
Was in dem Gesetzentwurf nicht vorkommt, sind Aktienoptionen. Für Beobachter sind diese Anreize für Firmenchefs, hohe Gewinne vorzulegen, um den Aktienkurs hochzutreiben, die Wurzel des Übels. Bislang müssen Unternehmen Optionen nicht einmal als Kosten aufführen, und Lobbyisten sorgten dafür, dass das so bleibt. Vor allem Technologieunternehmen wehren sich mit aller Kraft, weil sie ihre Manager und auch Angestellte mit umfangreichen Aktienoptionen lockten, die in Zeiten des Hightech-Booms als sicherer Weg zum Reichtum galten.
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