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Da flüchten die Bayern

Nach drei Tagen an einem See in Mecklenburg-Vorpommern reisten bayerische Jugendliche mit Schrecken wieder ab. Die Polizei ermittelt wegen Landfriedensbruchs

BERLIN taz ■ Es sollten zwei schöne Ferienwochen in einer Jugendherberge in Mecklenburg-Vorpommern für sechs Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren aus Bayern werden. Doch nach drei Tagen reisten sie, unter ihnen ein Jugendlicher afghanischer Abstammung, aus dem Luftkurort Plau am See mit Schrecken wieder ab.

Im Vergleich zu einem Übergriff 1996, bei dem Jugendliche eine Gruppe aus NRW mit ausländischen Schülern auf einem Zeltplatz in Plau am See angriffen und einige Betreuer schwer verletzten, kamen die Bayern glimpflich davon. Johanna Weber, eine der Pädagoginnen der betreuten Wohngemeinschaft in Erding, die vom „SOS Kinderdorf“ getragen wird, ist trotzdem entsetzt: „Am Freitag lernten wir auf dem Strandfest andere Jugendliche kennen. Weil es so schön war, sind wir am Samstag wieder hingegangen.“ Als sie in einem Café saßen, seien einige Jugendliche gekommen und hätten sie beschuldigt, einem Mädchen Drogen in ein Getränk gemixt zu haben. Die herbeigerufene Polizei nahm die Personalien von zwei der bayrischen Jugendlichen auf und durchsuchten sie nach Drogen, fand jedoch nichts.

Zum Strandfest wollte danach keiner der Gäste mehr. Sie gingen zu ihrem in der Nähe geparkten Bus. Plötzlich seien die Einheimischen hinterhergekommen. Einer habe gerufen „Wir schmeißen den Bus um“, ein anderer „Gebt den Kanaken raus“. Dann hätten sie das Fahrzeug mit Fäusten, Füßen, Flaschen und Steinen traktiert. Dabei wurde eine Seitenscheibe eingedrückt und die Frontscheibe beschädigt. „Man kann von Glück reden, dass niemand verletzt wurde“, so Weber. Für die Rückfahrt mieteten sie ein Ersatzfahrzeug.

Weber kritisiert, wie auch 1996 die Betreuer, die Ermittlungen der Polizei. Die ermittelt zwar wegen Verdachts auf Landfriedensbruch und Sachbeschädigung, doch eher lustlos. Ein Polizist der Dienststelle in Parchim kommentierte gestern genervt den Vorfall: „Haben Sie mal ein Strandfest in Mecklenburg-Vorpommern mitgebracht? Da kennt jeder jeden, da wird gesoffen, Sie wissen doch, wie das ist.“ Ein Sprecher der Schweriner Polizei versicherte, dass nach Abzug der Beamten „keine Bedrohungslage“ mehr bestanden habe und die Jugendlichen belehrt wurden, „Ruhe einzuhalten“. Die Angreifer bezeichnete er als „losen Zusammenhalt von Jugendlichen, die sich teilweise kannten und gegenseitig hochgeschaukelt haben“. Das Mädchen, dem die Bayern angeblich Drogen verabreicht hätten, sei negativ getestet worden.

Nach Angaben der Rostocker Opferberatung „Lobby e.V.“ gab es diesen Sommer eine ganze Reihe ähnlicher Vorfälle wie am vergangenen Wochenende in Plau am See. „Rechte Hintergründe werden oft verschwiegen“, so ein Sprecher.

B. BOLLWAHN DE PAEZ CASANOVA

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