: Die Flimmer Twins
Ein Wiener Gespann: Rudi Dolezal und Hannes Rossacher sind hoch gefragte Musikfilm-Produzenten, seit sie Falco ins Kino brachten. Das meiste Geld macht ihre Firma DoRo aber mit Videos für Viva
von ARNO FRANK
Der selbst gewählte Spitzname des österreichischen Produzentengespanns Rudi Dolezal, 44, und Hannes Rosacher, 49, ist der Alliteration zuliebe leicht bescheuert geraten: „Torpedo Twins“ nennen sich die ehrenvoll ergrauten Filmer schon seit den Siebzigerjahren. Zwei Kumpel waren sie damals, die die gleiche Musik hörten und beide bei „Ohne Maulkorb“ arbeiteten, einer progressiven Jugendsendung im ORF: „Da saß ein bärtiger Riese von der Statur eines kanadischen Holzfällers mit den Füßen auf dem Tisch. Das war der Rossacher“, schildert Dolezal die erste Begegnung. Bald schon waren die beiden Rocker derart unzertrennlich, dass sie von den Kollegen nur noch „Doro“ gerufen wurden. Heute leiten sie gemeinsam die DoRo Media AG mit Dependancen in Wien, Berlin, Köln, London und Los Angeles.
Wie es dazu kommen konnte, das ist eine lange, mit Anekdoten gespickte Geschichte. 1979 sahen Dolezal und Rosacher am Picadilly Circus in London einen Film über The Who: „Wir stellten fest, dass der Film eigentlich totale Scheiße war, und dass wir das viel besser können“, sagt Dolezal. Vor diesem Kino haben sie sich der Legende nach geschworen, so lange zusammen zu arbeiten, bis dort ein DoRo-Film über eine große Rockgruppe läuft.
Das Kino wurde längst von einem Supermarkt abgelöst, was in gewisser Weise auch für die Träume von Dolezal und Rossacher zutrifft. Ins Kino schafften sie es zwar mit einem Film über Falco, ins Fernsehen jüngst wieder mit der erschöpfenden Rolling Stones-Doku „Let It Bleed“ (für Arte). Das eigentlich Geld verdient ihre veritable Firmengruppe aber mit der Fließbandproduktion von Musikvideos für MTV oder Viva. Wobei die beiden Wiener Dieter Gornys Sender damals mit aus der Taufe hoben und noch immer Anteile halten: der dynamische Dolezal war es, der dem US-amerikanischen Medienmulti Time/Warner davon überzeugte, das Entwicklungsgeld für Viva auszulegen.
Vor der Ära televisionärer Musiknischen „übten“ DoRo zu Hause in Österreich noch mit heimischen Gewächsen. Mit Wolfgang Ambros, Rainhard Fendrich, Georg Danzer, Opus, der EAV gehörte zunächst die Oberliga des österreichischen Popgeschäfts zu ihren Kunden. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis DoRo den Ausfallschritt auf den deutschen Markt wagten und Künstler wie Nina Hagen, Trio, Udo Lindenberg, Herbert Grönemeyer, Marius Müller-Westernhagen, Pur oder die Scorpions ins rechte Bild setzten. Bis dahin war die Verwechslungsgefahr mit der Hardrockerin Doro (Pesch) allerdings noch akut.
Mit ihrem alten Freund Hans Hölz alias Falco aber kam der internationale Durchbruch. „Rock Me Amadeus“ schoss auf Platz 1 der Hitparaden in den USA, England, Japan und ganz Europa – das entsprechende Video zeigte den exaltierten Graf Koks des Austro-Pop als modern-dekadenten Mozart und trug die Handschrift von, klar, Dolezal und Rossacher. Wofür Rossacher beim Gespräch im Berliner Büro eine einfache Erklärung findet: „Früher haben wir so viel Zeit miteinander verbracht, als wären wir Zwillinge. Da bildet sich fast automatisch eine ähnliche ästhetische Auffasssung.“
Diese wiederum ist, wie ihnen ihre Kritiker gerne vorwerfen, eher hausbacken: DoRo produzieren kostengünstige, performative Videos ohne allzu viel Schnickschnack. Wirklich revolutionär war kaum einer ihrer Clips, und dass es für ihre Arbeit inzwischen sogar einen „Grammy“ gab, ist auch nicht wirklich Ausweis für avantgardistische Ambitionen. Doch formaler Durchschnitt ist bei Werbefilmen – denn nichts anderes sind Musikvideos – ein solider Sockel für weitere Tätigkeiten. Zumal sich in den ersten Jahren von Viva hartnäckig das Gerücht hielt, wer dort ein Video platzieren wolle, der müsse es von DoRo produzieren lassen – der Monopolist im Karpfenteich. Damit haben Dolezal und Rossacher kaum Probleme: „Neider gibt’s überall“, stellt Rossacher fest und verweist darauf, dass die Firma sogar in den USA zur ersten Adresse gehört.
Inzwischen hat sich um DoRo eine vertiable kleine Firmenfamilie gruppiert. Zum Geschäftsfeld zählen Commercials, Live-Aufnahmen (zuletzt Oasis in Berlin) und Interviews. 1997 gründeten Dolezal und Rossacher mit dem „Department M“ eine eigenes „Jugendministerium“ aus Jungfilmern. In Berlin arbeiten 15, in Wien 60 Mitarbeiter; dort ist auch das recht einzigartige Ton- und Filmarchiv aus 25 Jahren Popgeschichte beheimatet.
Das Musik-Korsett scheint den „Torpedo Twins“ ohnehin zu eng geworden zu sein: Die „DoRo Fiction Film GmbH“ produziert heute fleißig Kino- und Fernsehfilme: Zuletzt wurde auf dem Münchener Filmfest „Baby“ gezeigt, ein Melodram vom Newcomer Philipp Stölz, der im Auftrag von DoRo schon mit A-Ha, Madonna oder Rammstein zusammen gearbeitet hat. Und im Herbst 2002 läuft auf Sat.1 „Meine Tochter ist keine Mörderin“, produziert von, natürlich, DoRo.
Offenes Geheimnis ist, dass die aktuelle Krise in der Medien- und Unterhaltungsbranche auch an der intensiv expandierenden DoRo Media GmbH nicht spurlos vorübergegangen ist. Neue Mitarbeiter werden keine eingestellt, und hinter vorgehaltener Hand macht das Wort vom “finanziellen Engpass“ die Runde. Wenn das stimmen sollte, dann ist es Dolezal und Rossacher nicht anzumerken.
Leutselig und entspannt standen sie in Berlin nach der Vorab-Premiere von „Let It Bleed“, der schon auf Arte lief und nun auf der Popkomm gezeigt wird, den Journalisten Rede und Antwort. Über Liquiditätsprobleme freilich wird höchstens milde gelächelt, nicht gesprochen. Erstaunlicher ist allerdings, dass sich die Partner in all den Jahren der Prosperität nicht entzweit haben, wie es etwa bei Rockgruppen geradezu üblich ist. „Der Vergleich trifft es genau“, meint Dolezal: „Wenn man lernt, miteinander auszukommen, dann gibt es auch keinen Grund, alles hinzuschmeißen.“
Statt über Bilanzen sprechen die beiden Regisseure, die sich gern auch mit den Coen-Brüdern vergleichen, denn auch lieber über ihre aktuelle Arbeit, die fast dreistündige Dokumentation über die Rolling Stones. „Eine Herzenssache“ sei dieser Film gewesen, brummt ein zufriedener Rossacher, „da spielten natürlich auch eigene Vorlieben mit hinein“. Vielleicht ist das des Rätsels Lösung: Eigentlich sind Dolezal und Rosacher nicht die „Torpedo Twins“, sondern die Jagger und Richards des Musikvideos. So wenig wie die „Glimmer Twins“, so wenig sind DoRo aus ihrer Szene wegzudenken.
„Let it Bleed“ läuft beim Pop:Film-Festival am Sa., 17. 8. im Cinenova, ab 20 h
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen