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In der Klinik und später

Eingetrübte Tage

Im Klinikum Westend sind die Bewegungsmöglichkeiten eingeschränkt. Als Treffpunkte dienen das Raucherzimmer im zweiten Stock und der Süßigkeitenautomat in der weiten Eingangshalle. Der Konsum von Zigaretten und Produkten der Firma Mövenpick strukturiert den Tag. In den frühen Abendstunden dann vertreiben sich viele Patienten die Zeit mit Fahrten im Fahrstuhl. Der Russe im gestreiften Pyjama sucht draußen in der Grünanlage nach Gesellschaft. Andere beobachten durchs Fenster im Krankenhausflur die Angestellten eines privaten Sicherheitsdienstes. Mit einem Schäferhund an der Leine durchkämmen sie die Ziersträucher des Freigeländes nach versteckten Drogen. Die Stunden vergehen langsam. Die Zimmernachbarin zappt sich durch das Fernsehprogramm. Später verteilt die Nachtschwester Schlaftabletten.

Zu Hause ist ein wacher Bewusstseinszustand noch lange nicht erreicht. Die Vollnarkose wirkt weit über den Klinikaufenthalt hinaus. Bis zu einem halben Jahr trägt der Patient die Betäubung im Körper, sagen Experten. Die Folge ist eine angenehme Teilnahmslosigkeit. Man sitzt in der Wohnung und wünscht sich, die Menschen im Radio mögen undeutlicher sprechen; oder erinnert sich an den schönen Satz von Hans Magnus Enzensberger: „Ich habe grundsätzlich nichts dagegen, wenn jemand mein Auto anzündet.“

Wann das emotionale Gleichgewicht wieder funktionieren wird, ist unklar. Bislang beschränkt sich die korrekte Wahrnehmung der Realität auf wenige Sekunden am Tag. In der Wilmersdorfer Straße hat man vor kurzem die Verkäuferin einer Bäckereifiliale weinen sehen. Ungeachtet ihrer Freudlosigkeit hat die Frau ihre Kunden weiter bedient. KIRSTEN KÜPPERS

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