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Scherf greift CDU an

Eine Antwort des Senats zur Justizpolitik war gestern Anlass zu einem koalitionspolitischen Streit

„Sie können ihre Profilierungsnöte nicht an mir austragen“, polterte Henning Scherf gestern überraschend scharf in der Bürgerschaft. Von der SPD-Fraktion erhielt er ungewohnt starken Applaus. Ziel seiner Angriffe: die CDU-Fraktion. „Ich habe hier das dicke Mandat“, strich Scherf den Regierungs-Chef einer großen Koalition heraus, mit der er „noch neun Monate viele gute Projekte voran bringen“ wolle. Wer in der Bremer Bürgerschaft „sein parteipolitisches Mütchen kühlt und das Parlament mit einem Parteitag verwechselt“, der schade „der ganzen Veranstaltung.“ Als in der ersten Reihe auf den CDU-Bänken um Jens Eckhoff gelacht wurde, meinte Scherf: „Gucken Sie sich den an, das ist mein Koalitionspartner.“

Der besondere Zorn Scherfs richtete sich gegen den justizpolitischen Sprecher der CDU, Thomas Röwekamp. In Bremen brauche man keine Schills, sondern Leute, die zusammenstehen, rief Scherf. Röwekamp hatte die Antwort des Senats auf eine justizpolitische Anfrage der CDU kritisiert und erklärt, dass die Politik des Justizressorts ganz auf die rot-grüne Bundeslinie ausgerichtet sei. Scherf spiele öffentlich den „Sheriff“, Staatsrat Ulrich Mäurer den „Hilfs-Sheriff“, aber jede Verschärfung der Gesetze werde durch den Justizsenator und seinen Staatsrat – „soft und softer“ – verhindert.

Röwekamp müsse einsehen, dass er gerade „Produkte der großen Koalition“ schlecht rede. Die zur Debatte stehende Antwort auf eine große Anfrage der CDU sei vom gesamten Senat abgestimmt worden. „Der besteht aus CDU und SPD.“ Vize-Bürgermeister Hartmut Perschau auf der Senatsbank wurde klein und kleiner bei diesen Angriffen.

Dass es jedoch zu einer Debatte über justizpolitische Inhalte kam, verhinderte Scherf mit seiner Gegenoffensive. Tatsächlich dürften sich gestern auch Abgeordnete aus den Reihen der SPD von Scherfs Machtanspruch per „dickes Mandat“ angesprochen gefühlt haben. Denn abweichend von der Linie des Justizressorts unter Scherf hatte sich SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen, im Hauptberuf Richter, überraschend dagegen ausgesprochen, dass Finanz- und Oberverwaltungsgericht den bisherigen Präsidenten des Verwaltungsgerichts als gemeinsamen Chef bekommen. Die CDU verriet gestern, worauf sie diese Böhrnsen-Intervention zurückführe: Die SPD-Fraktionsspitze habe den ehemaligen Justizstaatsrat und heutigen Richter am Oberverwaltungsgericht Michael Göbel als Chef der vereinigten Gerichte verhindern wollen – und ihm statt dessen den Vorsitz am Oberverwaltungsgericht abgeboten. Als schließlich der CDU-Fraktionsvorsitzende Jens Eckhoff ans Rednerpult trat, um auf Scherf zu entgegnen, setzte sich Scherf zu den Abgeordneten und sagte, er wolle Eckhoff in die Augen schauen bei seiner Rede. ede / K.W.

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